Die Strasse des Horus
sauberes Leinentuch über dem Arm. Ahmose seufzte laut.
»Ich weiß«, sagte er. »Ich möchte sie nach Waset zurückschicken, aber ich befürchte, dass sie nicht will. Du musst sie mit Königin Tautha anreden, Achtoi, und ihr huldigen, wie es ihrem Titel zukommt. Vermutlich ist sie jetzt meine Gefangene«, fuhr er finster fort. »Gehe zum Heeresschreiber von Turis Division und erbitte dir ein Offizierszelt für sie. Wenn das geschehen ist, lass Ipi und Chabechnet holen. Und halte die Königin fern, bis ich gewaschen und rasiert bin.«
Er speiste und trank mit Genuss, hielt still, während Hekayib ihm Gesicht und Schädel rasierte, ließ sich ankleiden und genoss jeden Augenblick seiner Erlösung. Denn das war es. Eine Erlösung. Ein Feldzug nach Rethennu war etwas ganz anderes als die Einnahme von Auaris. Er würde ein unbeflecktes Ägypten zurücklassen, in dem die letzten Reste der fremdländischen Besatzung getilgt waren. Rethennu hatte im Laufe der letzten Jahre Ströme von Soldaten ins Delta geschickt. Die Fürsten hatten ihre eigenen Männer hergegeben, damit der geschwächte Apophis sein Land wieder in den Griff bekam. Ahmose erwartete auf dem Weg nach Scharuhen keinen großen Widerstand. Jetzt mussten Späher ausgeschickt werden, die ihm die Festung beschrieben.
Hekayib hatte Ahmose gerade die Sandalen zugebunden und räumte seinen Kosmetiktisch fort, als Tani zurückkehrte. Zaghaft, fast scheu betrat sie das Zelt, hatte sich in ihren farbenprächtigen Umhang gehüllt und hatte von der frischen Morgenluft eine blühende Gesichtsfarbe. Ahmose begrüßte sie und forderte sie auf, sich zu setzen. Das tat sie vorsichtig, hockte sich auf die Kante eines Schemels und beobachtete ihn irgendwie wachsam. Sie reizte ihn, andererseits ärgerte er sich über seine Kleinlichkeit. Das hier war seine Schwester, sein eigen Fleisch und Blut, das Kamose geopfert hatte und das jetzt heil und gesund zu ihm zurückgekehrt war. Ich sollte überglücklich sein, sie hier zu haben, dachte er, aber ich will sie lieber bestrafen. Vielleicht bin ich ärgerlich, weil mir das Bild nicht zusagt, Apophis könnte gütig und gnädig sein. Ich möchte ein Ungeheuer abschlachten, nicht einen Menschen töten. »Achtoi hat sich überhaupt nicht verändert«, setzte sie an. »Er ist noch ganz der Alte. Er sucht mir ein eigenes Zelt.«
»Ja.«
»Es ist wirklich nicht nötig, Ahmose, dass du mich die ganze Zeit bewachen lässt. Selbst wenn ich ausreißen wollte, ich glaube nicht, dass Heket und ich auf uns allein gestellt weit kommen würden, oder?« Er musterte sie eingehend.
»Keine Ahnung«, sagte er wachsam. »Ich kenne dich nicht mehr, Tani. Vielleicht bist du durchaus in der Lage, den ganzen Weg nach Scharuhen zu Fuß zu gehen. Denn dorthin willst du doch, ja?« Ihr Blick verschleierte sich, und sie beugte sich vor.
»Ja, mehr als alles auf der Welt!«, sagte sie. »Bitte, Ahmose, schicke mich nicht nach Waset! Das ist nicht mehr mein Zuhause. Falls du es doch tust, werde ich ausreißen, sowie ich mich davonstehlen kann. Apophis ist mein Zuhause. Er braucht mich.«
»Erspare mir die Rede, die du bereits gehalten hast«, fiel er ihr schroff ins Wort. »Apophis ist fast doppelt so alt wie ich, und du bist noch drei Jahre jünger als ich. Ich kann seine lüsterne Begierde, dich in seinem Bett zu haben, ja verstehen, aber beleidige mich nicht damit, dass du so tust, als verspürtest du Zuneigung zu ihm.« Sie verzog das Gesicht.
»Aber so ist es doch«, platzte sie heraus. »Ach, was soll’s! Lege mich in Ketten und schicke mich zurück zu Mutter, deren Vergebung und Güte glühende Kohlen auf meinem Haupt sind! Und meine Großmutter wird sich nicht die Mühe machen, ihre Verachtung zu verbergen! Und meine Schwester, die jetzt selbst Königin ist, wird keine Gelegenheit auslassen, mir unter die Nase zu reiben, wie viel angenehmer es ist, Königin von Ägypten zu sein als die Ehefrau eines flüchtigen Stammeshäuptlings!«
Ahmose musste schlucken. Sie hatte mit ihrem Ausbruch weitaus besser ins Ziel getroffen, als er zugeben durfte. So scharfsinnig hatte er sie nicht in Erinnerung. Vielleicht hat sie Recht, dachte er, und der Gedanke überraschte ihn. Vielleicht wird sie in Ägypten nie mehr ganz willkommen sein, denn sie hat sich mit den Setius befleckt. Was könnte sie am Hof von Waset anderes sein als eine Merkwürdigkeit?
»In einem Heer auf dem Marsch ist kein Platz für dich«, sagte er. »Wir haben keine Sänften. Du kannst doch
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