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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Kopfbedeckung ab und ging in des kühle Wasser, tauchte vollkommen unter, bis die reinigende Berührung des Gottes ihm in Mund, Ohren und Nase drang. Darauf kam er wieder heraus, kleidete sich rasch an und gab den Befehl, nach Hause zurückzukehren. Von ihrem Tod bin ich gereinigt, dachte er, aber von nun an wird meine Seele die Narben ihres kurzen Lebens tragen. Mögen dich die Götter freudig begrüßen, meine kleine, unschuldige Tochter!
    Die Kunde von ihrem Tod hatte sich mittlerweile im Haus verbreitet. Trotz der frühen Stunde standen ein paar Diener im Flur herum. Sie huldigten ihm mit betrübten Mienen, als er vorbeikam, doch er war so tieftraurig, dass er nicht reagierte. Aahmes-nofretari saß auf dem Fußboden und hatte die Stirn auf die Knie gelegt. »Es ist getan«, sagte er knapp und zog sie hoch. Ein Weilchen klammerten sie sich aneinander, dann ließ sie ihn los.
    »Teile heute bitte mein Lager«, bat sie. »Ich möchte deine Wärme spüren, Ahmose. Mir ist so kalt.« Statt einer Antwort hob er das Bettlaken, und sie stieg ins Bett. Er zog sich erst gar nicht aus. Auf einmal war er unendlich müde, legte sich neben sie, und da umschlang sie ihn auch schon. Heute Nacht kommt kein Laut aus dem Kinderzimmer, dachte er und verspürte bei aller Traurigkeit eine gewisse Erleichterung.
    Am nächsten Tag zog er in seine eigenen Gemächer zurück, und dann begannen die siebzig Tage Trauerzeit um Sat-Kamose. Morgens kümmerte sich Ahmose weiterhin um die Regierungsgeschäfte. Er beriet sich mit Pa-sche bezüglich Ahmose-onchs stetigen Fortschritten und verbrachte jeden Tag ein paar Stunden mit dem Jungen. Oft gesellte er sich auch am Spätnachmittag zu seiner Mutter und Tetischeri im Garten, wo es heißer und heißer wurde, während der Sommer ins Land ging.
    Er hatte erwartet, dass Aahmes-nofretari wieder in Niedergeschlagenheit und Schlaflosigkeit verfallen würde, doch sie war gelassen an ihre Arbeit zurückgekehrt, und ihrem Haushofmeister zufolge aß und schlief sie gut. Ahmose sah nur wenig von ihr, obwohl sie ihm nicht aus dem Weg ging. Sie begegneten sich oft, wenn sich ihre Wege vor dem Empfangssaal kreuzten oder sie in entgegengesetzten Richtungen durchs Haus eilten. Sie war ruhig und lächelte, jedoch etwas zurückhaltend, und er spürte, dass er sie in Ruhe lassen musste.
    Von Scharuhen kamen regelmäßig Berichte, und jeder glich dem vorherigen. Das Heer hatte sich um die Stadt herum fest eingegraben. Die Männer waren kampfbereit. Wasser traf unter Abanas Oberaufsicht in spärlichen, jedoch ausreichenden Mengen ein. Es gab keine Scharmützel mit Bergstämmen, und Scharuhen selbst wirkte, als hätte es die Anwesenheit der Ägypter völlig vergessen. Ahmose seufzte bei jedem Siegel, das Ipi erbrach. Diese Tore öffnen sich nur durch ein Gotteswunder, dachte er düster. Amunmose hat mir von der Weissagung des Sehers erzählt, aber leider hat der Seher nicht gesagt, wann das geschieht. Vielleicht stehe ich dann im sechzigsten Jahr, und Apophis ist an Altersschwäche gestorben. Die Seher machen mich rasend. Ewig reden sie in Rätseln, erwarten aber dennoch Bezahlung.
    Er widmete sich wieder dem alten Palast. Seine vergangene Pracht hatte trübe Träume heraufbeschworen, seine Geister Angstanfälle, wenn er und Kamose sich als Kinder des Nachts hineingeschlichen hatten. Doch während der Trauerwochen für seine Tochter stellte er fest, dass er oft im Garten stand und den sich makellos erstreckenden Rasen betrachtete, wo früher die Mauer zwischen Haus und Palast gewesen war. Er gehört mir, ist mein Geburtsrecht, sagte er sich. Er ist die Wohnstatt eines Königs, und wenn ich einziehe, setze ich nach vielen Jahren der Setiu-Besatzung wieder das Gesetz der Maat in Kraft. Aber er kam erst zu einem Entschluss, als er eines schönen, heißen Morgens Ahmose-onch um eine Ecke sausen und lachend und kreischend auf den Teich zuflitzen sah, gefolgt von einem lächelnden Pa-sche.
    Er schickte nach Fürst Sobek-nacht und traf sich mit ihm im Schatten einer der hohen Eingangssäulen, die aufrecht in einen strahlend blauen Sommerhimmel ragten. »Einige Innenwände sind schon weiß getüncht, Majestät«, sagte der Fürst, als sie eintraten, »aber weitere Arbeiten sind erst nach der Bestattung der Prinzessin möglich. Ich bin mit dem Erreichten zufrieden. Du hoffentlich auch.« Ahmose gab keine Antwort.
    Stumm schritt er über die schimmernden Fußböden, die sich vor ihm in große, dämmrige Höhlen erstreckten,

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