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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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er einbalsamiert und in allen Ehren dicht bei Kamose beigesetzt werden soll. So viel Treue verdient Belohnung.
    Aahmes-nofretari hatte während des ganzen Tages, der mit den erforderlichen Riten dahinging, nichts gesagt. Gelegentlich weinte sie, und dann zog Ahmose sie an sich, doch die meiste Zeit stand sie mit locker vor dem Unterleib gefalteten Händen und starrte zu Boden.
    Als er wieder ins Haus kam, merkte er sofort, dass sich die Atmosphäre verändert hatte. So war es immer nach einer Bestattung. Erst begann die Trauer, und alle waren bedrückt, doch das zerstob wie durch ein Wunder, wenn die Boote, die vom Westufer zurückkehrten, an die Bootstreppe stießen. Er stieg aus, und dann gingen er und Aahmes-nofretari Arm in Arm zu den Säulen des Haupteingangs, und die anderen Familienmitglieder folgten ihnen.
    Auf einmal zupfte sie an ihm, dass er stehen blieb und wartete, bis Aahotep, Tetischeri und ein gähnender Ahmose-onch an ihnen vorbeigegangen waren, dann ließ sie ihn wieder los. »Ich muss dir etwas sagen, Majestät«, begann sie mit hoher, gehetzter Stimme. »Irgendwie bin ich immer ein Feigling gewesen. Als ich noch jünger war, habe ich vor fast allem Angst gehabt – vor einem bedrohlichen Vorzeichen, einem Dornenpikser, einem harten Wort. Ständig habe ich darauf gewartet, dass die Götter zuschlagen. Dann hat der Krieg angefangen, und ich war gezwungen, mich mit echter Gefahr auseinander zu setzen, meine Gespenster zu verdrängen.« Sie biss sich auf die Lippen. »Viel Erfolg habe ich dabei nicht gehabt. Erst als Kamose ermordet wurde und du verwundet daniederlagst, habe ich einen Funken echte Tapferkeit und Waghalsigkeit in mir entdeckt. Das hat mich befreit. Doch bei Hent-ta-Hents Tod sind die früheren Schreckensbilder zurückgekehrt.« Sie verschränkte die Arme, umschlang sich fest, so als fröre sie. »Ich bin darin untergegangen. Ich habe nicht gekämpft. Als ich mit Sat-Kamose schwanger geworden bin, waren die dunklen Fluten des Selbstmitleids und der äußersten Vorsicht bereits völlig über meinem Kopf zusammengeschlagen, und als sie dann geboren war, war ich so krank, dass ich nicht mehr essen, schlafen oder gehen konnte, ohne mich und dich zu hassen.« Ahmose wollte sie in den Arm nehmen, doch sie trat zurück. »Nein«, sagte sie laut. »Lass mich ausreden. Nichts davon ist deine Schuld. Nichts. Dann bist du nach Hause gekommen und warst zärtlich und liebevoll, du hast sie gesehen und hast dich um mich, um uns beide gekümmert, und da habe ich mich allmählich geschämt.« Tränen rannen ihr übers Gesicht, aber sie lächelte. »Ich habe meinen Mut wieder gefunden, Ahmose. Wir haben zwar unsere Töchter verloren, aber wir werden weitere Kinder bekommen, und ich will nie wieder Angst haben. Ich wehre mich nicht länger gegen das Leben. Kommst du heute Nacht zu mir und liebst mich? Es ist so lange her.« Verwundert und zutiefst bewegt zog Ahmose sie an sich, drückte ihren warmen Kopf an seine Brust.
    »Dich trifft nicht die ganze Schuld, liebste Schwester«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich bin unverzeihlich selbstsüchtig gewesen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich heute Nacht zu dir kommen dürfte. Es ist mein sehnlichster Wunsch.« Er spürte, wie sie seufzte.
    Dabei fragte er sich, ob ihr Ausbruch schlicht eine übermächtige Reaktion auf die Anspannung von Sat-Kamoses Beisetzung war, doch als die Tage ins Land gingen und sie weiterhin heiter und liebevoll war, glaubte er allmählich, dass das Feuer der Selbstverdammung in ihr niedergebrannt war und sie sich für immer verändert hatte. Sie waren sich näher als je zuvor, liebten sich jede Nacht glücklich, saßen bei Audienzen nebeneinander, sahen zu, wie Ahmose-onch schwimmen lernte.
    Ahmose hätte vollkommen zufrieden sein können, wenn da nicht das Problem Scharuhen gewesen wäre. Jedes Mal, wenn ein Herold mit Rollen von seinen Generälen eintraf, zog er sich in das Arbeitszimmer seines Vaters zurück, bis sich die Wolke der Enttäuschung, die sie mit sich brachten, verzogen hatte. Scharuhen war eine unerledigte Aufgabe, und Ahmose wusste, dass er Waset erneut verlassen und die Horusstraße entlangziehen musste.
    Er wartete mit dem Gespräch darüber bis Anfang Thot, als das Neujahrsfest vorbei war und die Überschwemmung eingesetzt hatte. Man hatte eine reiche Ernte eingebracht. Von überall schickten Aufseher und Nomarchen Nachricht, dass Ägypten wieder fruchtbar und friedlich war, und dazu Geschenke für ihren

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