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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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aus Waset, die sich feierlich verbeugten. Aahmes-nofretari musste an ein Kornfeld denken, über das der Wind weht, als sie Ahmose-onch seinem Kindermädchen übergab und mit Mutter und Großmutter neben sich zum Innenhof schritt.
    Weihrauch duftete und wölkte zum Himmel. Aahmes-nofretari, die den Geruch mochte, sog ihn genüsslich ein und spähte durch die geöffneten Türen in das Allerheiligste dahinter. Amun lächelte ihr rätselhaft zu, die Hände auf die Knie gelegt, die Füße in Blumen verborgen, auf seiner glatten Brust eine Blumengirlande. Sie bekam ihn nur selten zu sehen. Fast das ganze Jahr über war er vor gottlosen Blicken wohl verwahrt in seinem Heiligtum verborgen, herrschte durch seine Priester und Orakel und war für die meisten seiner Untertanen eine gütige, unsichtbare Gegenwart.
    Aahmes-nofretari fiel zusammen mit Tetischeri und Aahotep auf die Knie und legte die Stirn auf die Fliesen. Als sie aufstanden, stolperte Aahotep und fiel hin, doch das ging mehr oder weniger im Plinkeplink der Fingerzimbeln und dem Schütteln des Sistrums unter. Als Aahmes-nofretari die Notlage ihrer Mutter bemerkte, stürzte bereits ein junger Mann aus den Reihen der Priester herzu, die vor dem Allerheiligsten standen, und fiel neben ihr auf die Knie. »Tu so, als ob du zum zweiten Mal huldigst, Majestät«, hörte Aahmes-nofretari ihn sagen. »Das macht aus dem Schnitzer tiefe Ehrerbietung, und der Gott wird dich dafür segnen.« Aahotep war offensichtlich verstört und gehorchte. Neben ihr legte auch er die Stirn auf den Boden, stützte sie unter dem Ellenbogen und half ihr beim Aufstehen.
    Vor das Heiligtum und vor die Männer und Frauen hatte man im Innenhof zwei Stühle und einen Schemel gestellt. Hinter den Stühlen standen die Priester, flankiert von den heiligen Sängerinnen und Tänzerinnen. Jetzt nahte Amunmose von einer der Zellen, die den Hof säumten, begleitet von seinen mit Weihrauch beladenen Tempeldienern. Er trug das Leopardenfell seiner hohen Stellung über der Schulter und hielt den Stab seines heiligen Amtes in der Hand. Ihm folgte Ahmose in einem schlichten weißen Schurz, barfuß und nur mit einem viereckigen, geknoteten Leinentuch auf dem Kopf. Dann kamen drei Priester, von denen jeder feierlich einen Kasten trug. Die Sängerinnen stimmten einen melodiösen Gesang an. Majestätisch führte der Hohe Priester Ahmose zu einem der Stühle und verbeugte sich.
    Ahmose setzte sich nicht. Sein Blick schweifte kurz über die Versammelten, kreuzte sich mit dem seiner Frau, und er grüßte sie mit einem aufblitzenden Lächeln. Er hob die Hand, und sofort hörte der Gesang auf. Atemlose Stille. »Günstlinge Ägyptens«, rief Ahmose, dass es von der steinernen Decke widerhallte. »Heute folge ich meinem Bruder als Herrscher der Zwei Länder und Geliebter Amuns. Von nun an bestimme ich den ersten Tag des Sommers zum Jahrestag meines Kommens als Inkarnation des Gottes hier auf Erden. Ich verpflichte mich, die Gesetze der Maat zu wahren, die zu belohnen, die mir treu dienen, und die gerecht zu bestrafen, die es nicht tun. Als rechtmäßiger Erbe der Herrscherrechte meiner Ahnen nehme ich die ägyptische Königswürde an. Aahotep, komm her.« Seine Mutter trat vor, und er nahm sanft ihren Arm und drehte sie um, sodass sie vor der Menge stand. »Das hier ist der Lohn des Verrats«, sagte er und zeigte auf ihr Hemdkleid, »und er wurde rücksichtslos von einer Frau eingefordert, die selbst Frau eines Königs ohne Krone ist. Wer könnte bei so viel Mut und Adel noch den Anspruch des Hauses Tao leugnen? Seht sie euch gut an und denkt über das nach, was ihr gesehen habt.« Aahmes-nofretari merkte, dass jemand an ihrem Hemdkleid zupfte, und blickte nach unten.
    »Warum hat Großmutter ein dreckiges Kleid an?«, flüsterte Ahmose-onch laut. »Schimpft Vater sie jetzt aus?«
    »Sei still«, gab Aahmes-nofretari flüsternd zurück. »Das erkläre ich dir später.«
    »Auch ich bin ein König ohne Krone«, sagte Ahmose gerade. »Die heiligen Insignien – Hedjet, Deschret, Atef, Heka und Nechacha – sind in gotteslästerlicher, fremdländischer Hand. Sogar die Herrin der Flamme und die Herrin der Furcht sind im Norden. Aber ich werde die Weiße und die Rote Nefer, Atef, Zepter und Geißel zurückholen, und wenn das geschehen ist, feiern wir eine richtige Krönung, hier, vor Amun, mitten in dieser Stadt.« Er ließ Aahotep los, doch die hatte sich gar nicht bewegt. Sie stand noch immer aufrecht und bleich da, und die

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