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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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ihres Königs. Gleich würden sie schießen, und Pezedchu würde fallen.
    Pezedchu schnipste mit dem Finger. Eine winzige Geste, fast unmerklich, doch Ahmose erschrak, denn der General war plötzlich von Bogenschützen umringt, die sich auf den Knien liegend verborgen gehalten hatten, die Bogen spannten und nun schossen, und ehe Ahmose auch nur mit der Wimper zucken konnte, fiel jemand gegen ihn, jemand stöhnte, jemand hustete erstickt, und als er sich auf tauben Füßen umdrehte, sah er seine Männer auf dem Deck liegen wie geschlachtete Schweine. Harchuf kroch auf allen vieren, aus seiner Schulter ragte ein schwarzer Pfeilschaft, und Ahmoses erster, benommener Gedanke war: Wie bringe ich das nur Anchmahor bei? Qar rannte, gefolgt von den Bootsleuten, auf ihn zu. Harchuf begann zu schwanken und stoßweise zu keuchen.
    »Du bist ein kluger Mann, Ahmose Tao, aber nicht klug genug«, schrie Pezedchu. »Du kannst mir nicht das Wasser reichen. Habe ich nicht deinen Vater umgebracht? Habe ich nicht deinen Bruder bis ans Ende seiner Tage verfolgt? Wo sind jetzt die viel gerühmten Getreuen des Königs? Nackt und bloß stehst du da, und ich werde auch dich umbringen.«
    Bei diesen Worten lief es Ahmose kalt den Rücken hinunter. Als er Pezedchu das letzte Mal gehört hatte, da kauerte er mit Kamose und Hor-Aha hinter einem Felsen, während irgendwo im heißen Sand unter ihnen der Leichnam seines Vaters zwischen anderen erschlagenen Ägyptern lag. Es stimmte. Er konnte diesem brillanten, brutalen Mann nicht das Wasser reichen und auch keiner seiner Generäle. Sein Mund war trocken. Er leckte sich die Lippen, schmeckte das Salz des Entsetzens auf ihnen, wollte sich hinhocken und die Augen zumachen, doch er tat es nicht. Er fühlte, wie Harchuf blind und unter furchtbaren Schmerzen an seinen Knöcheln herumtastete, und spürte mehr, als er sah, dass Qar ihn aufhob. Deine Mutter hat getötet, um dein Leben zu retten, und Kamose ist für dich gestorben, sagte er sich. Genau wie jeder andere Ägypter, der an diesem Tag gefallen ist. Das hier ist der Augenblick, in dem du wahrhaft König werden kannst. Er trat bis zur Reling vor.
    »Dein fremdländischer Herrscher verdient dich gar nicht, General«, sagte er und staunte selbst, wie klar und gelassen seine Stimme klang. »Du musst doch einsehen, dass Auaris verloren ist, ob du mich nun umbringst oder nicht. Es ist die letzte kleine Insel in einem Meer ägyptischer Macht, und gerade wollen es die Wellen für immer verschlingen.« Pezedchu lächelte. Es war kein spöttisches oder überhebliches Lächeln. Es war herzlich und freundlich.
    »Ich habe viele Gebieter«, erwiderte er. »Apophis ist nur einer von ihnen. Wenn sein Krieg mit dir vorbei ist, kehre ich nach Rethennu zurück, zu meiner Frau, meinen Wäldern und meinem Meer, bis ich an anderer Stelle gebraucht werde. Ich mag dich, Ahmose, und deinen Bruder habe ich bewundert, aber was kannst du mir, verglichen mit alldem, schon bieten?« Er schüttelte den Kopf und nahm den Bogen von der Schulter. »Außerdem klingen deine Schmeichelreden hohl. Wo sind die Bogenschützen, die du noch in Reserve haben solltest? Du bist ein toter Mann, und wenn du tot bist, löst sich dein Heer auf. Apophis wird siegen.« Pezedchu wählte einen Pfeil und legte ihn auf den Bogen.
    Ahmose wartete ohnmächtig und wie angewurzelt. Ich atme die letzten Züge, dachte er, aber das darf nicht sein. Wie konnte das geschehen? Die Abendsonne funkelt auf der Spitze von Pezedchus Pfeil, er hebt den Bogen, zielt, und die Spitze wird sich tief in meine Brust bohren. Die Sonne ist schön. Sie ist Leben, wie sie das Wasser berührt, die geschwungenen Flanken des Zedernholzschiffes wärmt, in dessen poliertem Bug ich stehe. Ich sollte ihn nach Tani fragen. Er wird wissen, wie es ihr geht. Ich sollte mich auf das Deck fallen lassen, denn dann geht sein Schuss vielleicht ins Leere, und ich bleibe am Leben. Er tat es nicht. Er wartete, und sein Blick wanderte am Pfeil, an der behandschuhten Hand und dem straffen, muskulösen Arm entlang, der den Bogen spannte, bis zu den zusammengekniffenen braunen Augen, die sich auf eine Stelle unter seinem Schlüsselbein richteten, dann zu dem Tumult dahinter. Die Sonne funkelte kurz auf etwas Metallischem…
    Dieses Etwas kam hinter Pezedchu durch die heiße Luft gepfiffen, drehte sich schimmernd und schlug irgendwo hinter Ahmose ein. Gleichzeitig zischte ein Pfeil an ihm vorbei. Und da kam er wieder zu sich, hörte jäh

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