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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Armen halte.
    Sie rief leise nach Senehat, griff sich einen Umhang, ging zum Fenster und zog die Binsenmatte hoch. Kühle Luft umschmeichelte sie, und der verschlafene Morgenchor der Vögel im noch verschatteten Garten drang gedämpft an ihr Ohr. Da trat ihre Leibdienerin ein und verbeugte sich schlaftrunken mit zerzaustem, schwarzem Haar und zerknautschtem Hemd. »Ein schöner Morgen, Senehat«, sagte Aahmes-nofretari und lächelte. »Sieh nach, ob man im Badehaus schon Wasser warm macht. Sag Neb-Amun, dass ich nach meinem Bad rasiert und auch massiert werden will, und er soll Lotosessenz ins Öl tun. Bring mir Essen, während ich warte, und schicke Uni zu mir, sowie er angekleidet ist.«
    Die junge Frau verbeugte sich und ging, und Aahmes-nofretari durchmaß das Zimmer. In den Monaten seit Ahmoses Aufbruch nach Norden, als er ihr so viele Lasten aufgebürdet hatte, dass sie bisweilen verzweifeln wollte, hatte sie sich oft mit Erinnerungen getröstet. Zunächst hatte sie noch klare Bilder gehabt, doch als die Wochen ins Land gingen, stellte sie bekümmert fest, dass das Bild ihres Mannes immer nebelhafter wurde, sein Leib, sein Lachen, seine Bewegungen schwieriger heraufzubeschwören.
    Hent-ta-Hents Tod hatte diese Entfremdung besiegelt. Er war nicht da gewesen, hatte das Kind nicht gesehen, das sich schweißgebadet gewälzt hatte, hatte seine Schreie nicht gehört, die Amunmoses Gesänge übertönt hatten. Er hatte die Fingerchen nicht gehalten, während die Lebenswärme aus ihnen wich, und als sich Aahmes-nofretari in ihrer Not und ihrem Verlustschmerz von dem schweißdurchtränkten und zerwühlten Kinderbett mit seinem rührenden Inhalt abgewendet hatte, waren da keine starken Arme gewesen, die die Gramgebeugte umfasst hätten. Was er auch immer gefühlt haben mochte, als er vom Sterben seiner Tochter erfuhr, es war nichts im Vergleich zu dem, was sie fühlte. Sie hatte mit angesehen, wie sich die kleine Brust zum letzten Mal gehoben und gesenkt hatte. Er nicht. Er würde bei der Bestattung anwesend sein. Die Trauerzeit für Hent-ta-Hent endete erst in einer Woche. Aber das war nicht das Gleiche.
    Sie waren schon viele Male getrennt gewesen. In den Jahren von Kamoses Krieg hatte es eine Reihe von qualvollen Abschieden gegeben, dazwischen kurze Perioden der Wiedervereinigung, die jedoch unter der Angst vor einer ungewissen Zukunft gestanden hatten. Aber während dieser ganzen Jahre hatten sie sich wenig verändert, waren langsam erwachsen geworden. Der Mord an Kamose und die darauf folgenden Säuberungen hatten sie beide verfrüht reifen lassen. Ahmose hatte ihr einen Berg Aufgaben übertragen und die Macht, sie zu erledigen. Darüber war sie zu einer fähigen Königin geworden. Aahmes-nofretari war das völlig klar, aber ob ihr Mann das auch wusste?
    Dennoch stand ihr an diesem Morgen, diesem bedeutsamen Morgen, sein Gesicht klarer vor Augen als seit vielen Monaten. Sie war allein gewesen und hatte getrauert, war nur die eine Hälfte eines wunderbaren Ganzen gewesen, das wieder einmal eins sein würde, und während sie ihr Schlafgemach durchmaß, hauchte sie ein Dankgebet zu Amun und Hathor.
    Es war jedoch nicht Senehat, die an ihre Tür klopfte, sondern Ahmose-onch. Er trabte vollkommen nackt mit einer Scheibe frischem Brot in der Hand und einer Honigdattel in der anderen herein, ging schnurstracks zum Fenster, stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte über die Fensterbank. »Re klettert schon am Himmel hoch, und die Gärtner sind draußen, aber sie stehen rum und reden«, sagte er. »Warum stellen sie keine Sonnensegel auf? Was ist, wenn Vater da ist, und wir sind noch nicht fertig?«
    »Es ist noch reichlich Zeit«, ermahnte sie ihren Sohn. »Zuerst kommt ein Herold, und dann kommt die Begrüßungszeremonie an der Bootstreppe, ehe wir ein Fest feiern. Beruhige dich, Ahmose-onch, sonst gibt es noch vor Mittag Tränen und Ärger. Iss deine Dattel und fass hier ja nichts mit klebrigen Händen an.« Das Kind stopfte sich die Dattel in den Mund, und in dem Augenblick tauchten Raa und Uni an der Tür auf. »Raa, wie oft muss ich dir noch sagen, dass er nicht nackt herumlaufen soll?«, meinte Aahmes-nofretari gereizt, als die Kinderfrau Ahmose-onch beim Handgelenk packte und sich abbittend verbeugte. »Dazu ist er zu alt. Ziehe ihn heute festlich an und pass auf, dass er sauber bleibt.«
    »Es tut mir Leid, Majestät«, sagte Raa. »Ich begreife einfach nicht, wie er es immer wieder schafft zu entwischen, kaum

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