Die Strasse des Horus
ihr berauschender Lotosduft in die Nase stieg, dachte sie an Uni, an sein Einfühlungsvermögen und seine Zuverlässigkeit trotz seiner Setiu-Vorfahren. Achtoi würde mit Ahmose zurückkehren und wieder seine Stellung als Oberhofmeister einnehmen wollen. Der Gedanke sagte ihr gar nicht zu. Uni führte den Haushalt, wie sie es mochte, tüchtig und taktvoll.
Ich möchte nicht, dass Achtoi das alles ändert, dachte sie, als sie in ein Laken gehüllt zu ihren Gemächern zurückging und sich vor ihren Kosmetiktisch setzte. Ich möchte nicht, dass sich die beiden über meinem Kopf böse anfunkeln, während ich Entscheidungen fälle, die ganz Ägypten betreffen. Aber das tust du dann auch nicht mehr, erinnerte sie eine andere, eine freudlose innere Stimme und eine, die sie verzweifelt unterdrücken wollte. Das tut Ahmose. Er hat dir die Macht nur während seiner Abwesenheit übertragen, und sowie er sein Schiff verlässt, fällt sie an ihn zurück. Du musst Zusammenarbeit lernen, Königin Aahmes-nofretari! Du wirst dich auf die Zunge beißen müssen, falls er schlechter urteilt als du.
Aber warum?, fragte sie sich, als ihr Kosmetiker den Deckel des Tisches aufklappte. Wir haben doch immer zusammengearbeitet, Ahmose und ich, haben keine Geheimnisse voreinander gehabt, haben gemeinsam schwierige Entscheidungen getroffen. Wovor habe ich wirklich Angst? Nicht vor dem Verlust meiner Autorität, denn Ahmose hat meine Einwände immer geachtet und auf meine Einwürfe gehört. Vielleicht argwöhne ich nur, dass er durch Ausübung seiner eigenen Macht, männlicher Macht, die nicht von mir gemildert wird, hochfahrend geworden ist. Seine Briefe waren knapp gehalten. Fast kalt. Weil er viel zu tun hatte und keine Zeit fand oder weil er mir allmählich alles übel nimmt?
Oder weil… Sie hielt den Atem an, denn ein scharfer Schmerz stach sie in die Brust. Weil ich ihm kein gesundes männliches Kind geschenkt habe wie Si-Amun? Warum sollte er anders sein als andere Könige, die einen Sohn brauchen, der eine friedliche Nachfolge gewährleistet? Als Prinz hat er sich um derlei nicht gekümmert, und darin waren wir uns völlig einig. Nun, da er ein König mit nur einem Stiefsohn und keiner Tochter mit königlichem Blut ist, erkennt er da die Gefahr und gibt mir die Schuld daran? Aber ich bin noch jung, und er auch. Noch ist Zeit für mehr Kinder, Jungen und Mädchen. Ihr Götter, Aahmes-nofretari, höre auf zu grübeln. Höre auf zu grübeln!
»Welche Farbe trägst du heute, Majestät?«, fragte der Kosmetiker. Er hatte ihr Gesicht mit Ocker gepudert und griff nach dem Kohl-Topf.
»Dunkelrot«, sagte sie, ohne nachzudenken. Ja, Dunkelrot, sagte sie sich, das leuchtet in der Sonne, und dazu Gold und Lapislazuli, damit kann ich ihn so blenden, dass er nur noch mich sieht.
Als er fertig war, reichte er ihr den Kupferspiegel, und sie musterte ihr Abbild sorgfältig. Bin ich noch schön?, befragte sie das Gesicht, das sie nachdenklich anblickte. Ob er mich noch begehrt? Sie legte den Spiegel in den Kasten, bedankte sich mit einem Nicken bei dem Mann und schickte ihn fort.
Senehat kleidete sie in ein dunkelrotes Hemdkleid, das in weichen, golddurchwirkten Falten von ihren Schultern bis zu den braunen Knöcheln rauschte. Ein breiter Kragen aus Gold, Lapislazuli und Jaspis lag um ihren Hals. In ihren Ohrläppchen hingen goldene Kobras mit Augen aus Lapislazuli. Sie wählte eine Perücke ohne Zöpfe, deren volles schwarzes Haar ihr hinten auf den Nacken und vorn über die Schlüsselbeine fiel, darauf kam ein goldenes Krönchen mit winzigen Abbildern der Geiergöttin Mut, der Schutzgöttin der Königinnen, die ihr auf die Stirn hingen. Senehat schob ihr goldene Armbänder auf den Arm und rote Ledersandalen mit Perlen aus Lapislazuli zwischen die Zehen. Zum Schluss ließ sie sich die Handflächen mit Henna bemalen, ehe sie ihre Ringe ansteckte, und da kam Uni herein. »Der Bürgermeister von Waset zusammen mit deinem Aufseher des Getreides«, sagte er. »Sie warten im Empfangssaal. Chunes ist bereits dort.«
»Gut.« Aahmes-nofretari reckte die Schultern unter dem juwelenbesetzten Kragen. »Lass meine Sänfte bereitstellen, ich will zu den Kasernen, wenn wir fertig sind«, sagte sie. »Wo sind Mutter und Großmutter heute Morgen?«
»Königin Aahotep ist mit Yuf zum Tempel gegangen, und Königin Tetischeri lässt ihr Sonnensegel dicht an der Bootstreppe aufstellen.« Ein schmales Lächeln huschte um seinen Mund. »Sie möchte die Ankunft des
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