Die Strasse des Horus
Getreide für die Aussaat zuzuteilen oder dafür zu sorgen, dass die Hunderte von Handwerkern, Bauern und Maurern ordentlich arbeiten und angemessen bezahlt werden. Ich treffe mich jeden Morgen hier im Empfangssaal mit ihnen und höre mir ihre Berichte an. Sobek-nacht hat hinten am alten Palast eine Reihe von Arbeitszimmern für sie und ihre Helfer angebaut. Im Augenblick ist das unbequem, aber wenn wir in den Palast ziehen, sind sie in unserer Nähe.« Ahmose betrachtete sie noch immer mit zusammengekniffenen Augen und verhielt sich sehr ruhig. Aahmes-nofretari wusste nicht zu sagen, ob er nachdachte, und auf einmal hatte sie Angst vor ihm. Dieses Gefühl war so neu für sie, dass sie beinahe laut nach Luft geschnappt hätte. »Das hier ist Nofreperet, dein neuer Oberster Schatzmeister«, fuhr sie fort. »Ne-schi, Kamoses Schatzmeister, habe ich mit der Beaufsichtigung des Tempelschatzes betraut. Nofreperet kümmert sich auch um die Auflistung unserer Einkünfte. Er kann dir das Gewicht und die Lagerung jedes Goldstäubchens sagen, das während der letzten sechs Monate zu uns gelangt ist, wie auch unsere Ausgaben. Er war in Diensten des Bürgermeisters von Waset und hat den gesamten Besitz der Stadt verwaltet. Ich habe seine Abrechnungen eigenhändig geprüft. Er ist gewissenhaft und verlässlich.« Nofreperet verbeugte sich erneut.
Ahmose starrte ihn an, und seine Miene wurde immer nachdenklicher. »Also, Nofreperet«, meinte er munter, »ich habe vor, zwei meiner Divisionen, die Amun-und die Thot-Division, ständig hier einzuquartieren. Zehntausend Mann, die jeden Tag beköstigt werden müssen. Vermutlich weißt du das bereits. Ihre Kasernen werden auf dem Land unmittelbar südlich dieses Hauses gebaut. Kann ich die und meinen Hof«, er stolperte über das Wort, »mit dem Getreide und Gemüse meiner eigenen Aruren ernähren?« Nofreperet fing sichtlich Feuer. Er legte die Stirn in Falten, kaute auf der Lippe, eine Hand klopfte zerstreut auf seinen Schenkel.
»Nein, Majestät«, sagte er. »Dein Land wirft genügend Nahrung für deine Bediensteten und Verwalter ab, aber nicht für deine Soldaten. Ich werde jedoch jedes Jahr die Berichte der Aufseher der Königin über Speicher, Weingärten und Vieh schätzen, die ihrerseits Berichte aus Ägyptens Städten und Dörfern erhalten, und auf der Grundlage von Hochwasser und Ertrag der darauf folgenden Ernte zu angemessenen Steuern raten. Dazu kommen natürlich noch die erhofften Einkünfte aus dem erneut aufgenommenen Handel mit den Keftius, die bereits ihren Wunsch vorgetragen haben, eine Abordnung nach Waset schicken zu dürfen, und Ihre Majestät hat, glaube ich, auch schon ihren Aufseher des Handels nach Asi geschickt, sodass auch von dort künftig Gewinn zu erwarten ist. Was nun Wawat und Kusch angeht…« Ahmose schnitt ihm das Wort ab.
»Meinen Aufseher des Handels«, sagte er nachdrücklich. »Meine Aufseher über Speicher und Weingärten und Vieh.« Er wandte sich an seine Frau. »Ihr Götter, Aahmes-nofretari, du hast ja mit einer vollständigen Revolution begonnen, während ich Setius abgeschlachtet habe.«
»Keine Revolution, Ahmose«, erwiderte sie rasch. »Eine friedliche Entwicklung. Ein Aufblühen. Mit der alten Ordnung hat es nicht mehr geklappt.«
»Gut«, sagte er und seufzte dabei. »Dann her mit diesen Aufsehern. Eine richtige Abwechslung nach all den Generälen.«
Chabechnet, Ipi und die Mitglieder der Familie mussten warten, während Ahmose eine weitere Stunde die Männer befragte, die Aahmes-nofretari sorgfältig ausgesucht hatte, damit sie den Kern dessen bildeten, was einer neuen Ordnung in Ägypten gleichkam.
Aber schließlich entließ er alle mit einer Handbewegung und kam zu den Frauen zurück. »Ich bin durstig und habe Kopfschmerzen«, sagte er knapp. »Es gibt hier viel, was ein König erst verstehen muss, Aahmes-nofretari, aber jetzt will ich meine eigenen Gemächer aufsuchen und Ruhe und Frieden auf meinem eigenen Lager genießen. Vermutlich sind die Medjai mittlerweile angekommen, da Hor-Aha fort ist, und gewiss liegt mein eigenes Schiff an der Bootstreppe vertäut.« Er schenkte Aahmes-nofretari ein schiefes Grinsen. »Eine eigenartige Heimkehr«, war seine Abschiedsbemerkung. Sie und Aahotep sahen ihn zur Tür hinten neben der Estrade gehen, die ins Innere des Hauses führte, und Ipi und Chabechnet folgten ihm.
»Ich weiß einfach nicht, was er denkt«, sagte Aahotep zögernd. »Sind wir zu weit gegangen,
Weitere Kostenlose Bücher