Die Strasse des Horus
Amuns und unter den höheren Gesetzen der Maat nicht Richter über das Schicksal jedes Ägypters?« Er seufzte. »Wie ich sehe, habe ich deinen Stolz verletzt, aber ich habe wirklich gedacht, wenn ich dir während meiner Abwesenheit alles übertrage, würden wir vereint für Ägypten arbeiten, du hier in Waset und ich im Norden. Sind wir nicht ein Kopf und ein Leib, Aahmes-nofretari? Haben wir nicht immer in himmlischer Harmonie gelebt?«
»Ja«, sagte sie tonlos. »Was du sagst, klingt einleuchtend und wahr, aber, Ahmose, wir kennen uns gut. Ich spüre unter deinen ach so vernünftigen Worten Unaufrichtigkeit.«
»Und ich unter deinen Ärger«, gab er rasch zurück. »Ich verbiete dir nicht, bei diesen Sitzungen anwesend zu sein. Ich sage nur, dass du diese Männer kennen magst, ich hingegen nicht, und wenn ich die höchste Macht sein, wenn ich genauso gut herrschen wie regieren soll, ist es dringend erforderlich, dass ich nicht nur begreife, wer sie sind, sondern auch in allen Einzelheiten, was sie tun.«
»Du traust meinem Urteil nicht!«, platzte sie heraus. »Ich habe sie ausgesucht, nicht du, und das stört dich, ja?« Er schoss hoch.
»Ich bin nach Hause gekommen, und in Waset hat sich mehr verändert als seit Hentis!«, schrie er. »Mauern hoch, Mauern runter, unbekannte Männer mit seltsamen Titeln, eine Ehefrau, die zu beschäftigt mit Bauen und Beratungen und Diktieren ist, um ihren Mann mit mehr als Höflichkeit zu empfangen!«
»Ich habe nichts weiter getan als deine Wünsche ausgeführt!«, schrie sie zurück. »Du hast mir einen Sack voll steinschwerer Pflichten aufgebürdet, bist fröhlich davongesegelt und hast dich als Krieger mit Ruhm bekleckert! Wie kannst du es wagen, mich zu beschuldigen, dass ich zu viel zu tun habe! Ich habe hier Wunder vollbracht, und das auf deine Bitte hin in sechs Monaten, während meine Tochter gestorben ist und mein Ehemann hehren Träumen nachgejagt hat!«
»Und wem hast du nachgejagt?«, schoss er zurück. »Einem gut aussehenden Schreiber und einem dich anbetenden Baumeister?«
»Ahmose!« Entsetzt starrte sie ihn an und merkte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. »Du bist ja eifersüchtig? Du bist eifersüchtig auf Chunes und Sobek-nacht?« Er verzog das Gesicht.
»Ja«, sagte er schließlich widerstrebend. »Auf einen, auf alle. Du bist nicht nur schön, Aahmes-nofretari, sondern strahlst auch eine Aura von Macht aus, die vorher nicht zu sehen war.« Sein Blick war beinahe schüchtern. »Mich haben Bilder von dir mit diesen Männern gequält, die sich um dich scharten und den Platz ausfüllten, den ich zurückgelassen hatte, während du die Befehlsgewalt ausprobiert und vervollkommnet hast, die ich dir übergeben hatte. Macht ist ein mächtiger Liebeszauber.« Er lächelte schmerzlich.
»Ich weiß nicht, ob ich geschmeichelt oder gekränkt sein soll«, sagte sie ungläubig. »Das waren keine Bilder, Ahmose, sondern Trugbilder. Ja, ich verstehe mich gut mit meinem Schreiber. Natürlich doch! Und, ja, ich verstehe mich auch gut mit dem Fürsten. Wie könnte ich wohl anders mit ihm zusammenarbeiten? Aber wie du die notwendige Übereinstimmung zwischen mir und meinen Dienern und Ratgebern als geschlechtliche Anziehung deuten kannst, das ist mir zu hoch!«
»Schon wieder«, gab er zurück. »Mit Ausnahme von Chunes sind sie nicht deine Diener und Ratgeber. Es sind meine.«
»Es sind unsere«, widersprach sie mit Nachdruck. »Ich habe sie gefunden, sie beurteilt, habe ihre Verantwortlichkeiten in meiner Eigenschaft als Königin festgelegt. Hast du mittlerweile Angst vor mir, Ahmose? Sehnst du dich insgeheim nach einer beruhigenderen, fügsameren Frau? Träumst du von mir, wie ich gewesen bin, schüchtern und zurückhaltend? Oder vielleicht hast du schon eine andere Frau gefunden, die mehr nach deinem Geschmack ist? Du hast mich seit deiner Rückkehr noch kein einziges Mal geküsst, ganz zu schweigen davon, dass du keine Lust auf meinen Leib gezeigt hast.«
»Es tut mir Leid, Aahmes-nofretari«, sagte er leise. »Deine Briefe waren so sachlich und kalt, so zurückhaltend, und ich war so verzweifelt, erst im östlichen Delta und dann vor Auaris. Du hast Männer erwähnt, die ich nicht kannte. Da bin ich bange geworden, ich gebe es zu. Eifersüchtig und bange.« Er blickte ergeben auf seine Hände. »Es gibt keine andere Frau. Nur dich. Ich gestehe, dass ich mich noch einmal in dich verliebt habe.«
Was ist das?, dachte sie niedergeschlagen. Entfremdung und
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