Die Strasse des Horus
Auf diesem Gebiet betrügt oder heuchelt er nicht. Unter seiner Schlichtheit verbirgt sich große Klugheit, aber hinterlistig ist er nicht. Hier ist etwas nicht in Ordnung. Sie winkte dem Wachposten vor ihrer Tür und ging durch die schwach beleuchteten Flure zu Ahmoses Gemächern.
Achtoi erhob sich, als sie näher kam, von seinem Schemel vor der geschlossenen Flügeltür, und sie grüßte ihn mit einem Lächeln. »Ich freue mich, dich zu sehen, Haushofmeister«, sagte sie. »Uni hat sich während deiner Abwesenheit über das Wohlergehen deiner Familie auf dem Laufenden gehalten. Du möchtest sie gewiss gern wieder sehen.« Er verbeugte sich.
»So ist es, Majestät, und danke«, antwortete er. »Seine Majestät hat mir ein paar Tage frei gegeben, damit ich sie besuchen kann, da sowohl Uni als auch Kares für ihn sorgen können.« Es lag Aahmes-nofretari auf der Zunge, dass Kares, der Haushofmeister ihrer Mutter, und Uni mit Tetischeri alle Hände voll zu tun hätten, aber sie verbiss sich die Bemerkung. Dieses Problem müssen Ahmose und ich lösen, sagte sie sich. Wer hat hier das Sagen?
»Gut!«, antwortete sie kurz angebunden. »Und jetzt möchte ich Seine Majestät sehen. Bitte, melde mich an.« Der Mann zögerte.
»Verzeihung, Majestät, aber Seine Majestät will gerade schlafen gehen. Das Fest hat ihn ermüdet. Ich warte darauf, dass er mich entlässt, damit ich mein eigenes Lager aufsuchen kann.« Aahmes-nofretari hätte ihn am liebsten geohrfeigt.
»Achtoi«, sagte sie bemüht ruhig. »Tu, was man dir sagt. Sofort.« Er verbeugte sich einmal, nickte, drückte einen Türflügel auf und verschwand drinnen. Aahmes-nofretari wartete. Dann riss Achtoi die Tür weit auf, winkte sie herein und schlüpfte selbst hinter ihr hinaus, als sie das Zimmer betrat.
Ahmose saß neben seinem Lager, hinter ihm stand ein Diener, der ihm gerade das viereckige Leinentuch umband, das seinen rasierten Schädel bedeckte. Er sah müde aus. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, und Aahmes-nofretari merkte an der Art, wie er ihr durch den Lichtschein der Lampe zublinzelte, dass er Kopfschmerzen hatte. Trotzdem lächelte er abbittend, als sie näher kam. »Ich weiß, ich habe Tetischeri gesagt, dass ich dir diese Nacht schulde, Aahmes-nofretari«, sagte er sofort, »aber ich bin sehr müde. Ich möchte mich einfach nur ausruhen. Das Fest war wunderschön. Danke.« Starr vor Zorn blieb sie stehen.
»Ich bin nicht gekommen, um eine Schuld einzufordern«, sagte sie bitter. »Und du musst auch nicht herablassend sein, Ahmose. Du hättest mir Bescheid geben können.« Der Diener starrte sie an, und da fand ihre Empörung ein Ziel. »Wer bist du?«, fragte sie. Der Mann blinzelte und fasste sich.
»Ich bin Hekayib, Leibdiener Seiner Majestät«, sagte er und verneigte sich tief.
»Dann kannst du uns verlassen, Hekayib«, befahl Aahmes-nofretari. Als er gegangen war, sagte sie: »Den kenne ich nicht, aber ich möchte jeden unter diesem Dach kennen.«
»Meinen früheren Leibdiener habe ich zur Pflege von Anchmahors Sohn Harchuf abgestellt, der verwundet ist«, erläuterte Ahmose. »Er durfte ihn behalten. Warum bist du so böse, Aahmes-nofretari?« Weil du zuerst in den Tempel gegangen bist, hätte sie gern geschrien. Weil du über meinen Kummer hinweggegangen bist. Weil du mich offensichtlich nicht lieben willst. Es hat Zeiten gegeben, da hat keine noch so große Erschöpfung oder Krankheit dich nach einer langen Abwesenheit davon abgehalten, mich auf das Lager da zu ziehen.
»Ich bin nicht böse«, log sie. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich Amunmose gebeten habe, jeden Morgen Priester zu schicken, die bei Tagesanbruch draußen vor deiner Tür die Lobeshymne singen. Es gehört sich, dass die überlieferte Sitte wieder aufgenommen wird, den König bei Sonnenaufgang zu begrüßen. Und gleich nach dem Frühstück treffe ich mich mit meinen Ratgebern und Verwaltern.«
Er betrachtete sie lange und stumm mit zusammengekniffenen Augen, die Beine unter dem Schlafschurz übergeschlagen, und bewegte langsam einen Knöchel. Dann sagte er: »Aahmes-nofretari, du hast wie ein Sklave in den Goldbergwerken geschuftet, damit die neue Ordnung in Ägypten eine Grundlage bekommt. Dein Geschick und feines Gespür flößen mir große Achtung ein. Ohne dich wäre ich erneut zu einem Berg Arbeit zurückgekehrt, und ich bin dir dankbar. Aber, liebste Schwester, sind diese Ratgeber und Verwalter nicht meine statt deine? Bin ich nicht die Inkarnation
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