Die Strasse des Horus
Ipi eine Zeit lang in seine besonderen Aufgaben hier einzuführen, damit dieser morgen als Schreiber dienen kann.« Sie sah, wie Ipi ernst nickte. Schließlich war es ein vernünftiger Vorschlag.
»Es war eigenartig und angenehm, morgens durch eine von einem Priester und seinen Tempeldienern gesungene Lobeshymne geweckt zu werden«, murmelte Ahmose. »Du bist ein Ausbund an Tüchtigkeit, Aahmes-nofretari. Ich danke dir, dass du mich davon abgehalten hast, über meine eigenen königlichen Füße zu stolpern«, sagte er leise und dann lauter: »Die Königin hat klug gesprochen. Chunes, mache den Papyrus bereit. Ipi, ich komme für den Rest des Tages ohne dich aus. Berate dich später mit Chunes.«
»Die Arbeitszimmer und das neue Archiv sind fertig, Ipi«, sagte Aahmes-nofretari. »Du kannst sie beziehen. Chunes wird dir alles zeigen.«
»Wäre ich doch lieber im Bett geblieben«, flüsterte Ahmose ihr zu, seine flüchtige Gereiztheit war verflogen, und sie lachte leise.
»Lass sie den Eid auf dich schwören, Majestät«, erwiderte sie im Flüsterton. »Sie wollen dir sehr gern dienen.«
Als die Sitzung beendet war und die Männer entlassen waren, erhob sich Ahmose und reckte sich. »Du hast gut gewählt«, meinte er, als sie den Empfangssaal verließen und in die helle Vormittagssonne traten. »Vor allem Ameniseneb hat mich beeindruckt. Der Zustand der Speicher und die erwartete reichliche Ernte sind lebenswichtig, und er scheint über beides bestens Bescheid zu wissen. Was denkst du, wird uns Nofreperet als Königlicher Schatzmeister reich machen, Aahmes-nofretari?« Sie lachte.
»Wieder aufgenommener Handel und Erhöhung der Steuern, die ein gesundes und friedliches Land abwirft, werden uns und auch Amun reich machen«, gab sie zurück, »aber Nofreperet wird dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Ich bin dankbar, dass du einverstanden bist, Ahmose. Es bedeutet mir viel.« Sie seufzte. »Kein beschauliches Leben mehr für uns.«
»Verglichen mit diesem Gebrabbel und Gewusel rings um uns ist ein Schlachtfeld ein Hafen der Ruhe«, sagte er wehmütig, aber humorvoll. Sie waren am Hauptweg angekommen, der von der Bootstreppe zum Anwesen führte. Das Haus lag hinter ihnen und vor ihnen schlenderten viele Menschen allein oder in Grüppchen, mit Rollen unter dem Arm oder ins Gespräch vertieft.
»Wenn die Arbeitszimmer erst fertig sind, müssen nicht mehr so viele Leute unseren Garten benutzen«, meinte Aahmes-nofretari. »Sie können von Tür zu Tür gehen, und das im Schatten der hinteren Mauer neben den Dienstbotenunterkünften. Augenblicklich arbeiten sie, wo immer es möglich ist.« Sie spürte, dass sein Missfallen fast an Bestürzung grenzte, nahm seinen Arm und drehte ihn sacht zu sich herum. »Hör mir zu, Ahmose«, sagte sie dringlich. »Vor ganz kurzer Zeit noch waren wir kleine Fürsten, die im Süden, in der tiefsten Provinz lebten. Vater regierte unter Apophis’ Auge eine ruhige Nomarche. Wir als seine Kinder angelten, schwammen, spielten und nahmen die scheinbar endlose Abfolge kleiner Aufgaben und Vergnügungen als sicheres und überschaubares Leben wahr. Wir hatten unser Schicksal unter einer verderbten Maat angenommen. Aber das alles hat sich geändert. Nichts ist mehr wie früher. Apophis beleidigte uns in unserem behaglichen Nest und zwang Vater, etwas dagegen zu unternehmen. Von diesem Augenblick an war alles entschieden. Wir können nicht mehr zurück. Ist dir wirklich klar, was im vergangenen Jahr geschehen ist?« Sie rüttelte an seinem Arm, und auf einmal war sein Blick nicht mehr so vage, sondern war scharf auf sie gesammelt. »Ägypten hat wieder einen ägyptischen König. Ägypten hat angefangen, sein uraltes Lied von Heiligkeit und Fruchtbarkeit zu singen. Es wird reich sein. Es wird von neuem gefestigt und mächtig sein. Dieses Anwesen ist zum Herzen von Ägyptens Verwaltung geworden. Du dienst nicht mehr dem Krieg, sondern der Maat und Ägypten unter Amun. Du bist ein Gott, lieber Bruder. Du kannst dir nicht mehr allein gehören.« Sie verstummte und ließ ihn los.
Nach einem Weilchen nickte er langsam. »Das weiß ich alles«, sagte er und wog dabei jedes Wort ab. »Ich habe mir in den langen Nächten, als Kamose und ich uns am Nil entlanggekämpft haben und der Wille des Gottes das Einzige war, was uns in all dem Schrecken und all der Not dieser Monate erhalten hat, viele Male vorgestellt, wie das sein würde. Aber mit der Wirklichkeit komme ich nicht zurecht. Ich sehe alles,
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