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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Lehrer für Ahmose-onch gefragt, und binnen einer Woche stellte sich auf einer der morgendlichen Sitzungen ein junger Mann vor. Er hieß Pa-sche und stammte aus Aabtu. Sein Vater war Kaufmann, der während der dreimonatigen Rotationszeit der niederen Priester auch noch im Osiris-Tempel diente, aber Pa-sche interessierte sich für uralte Grabmäler, erlernte den Beruf des Schreibers und hatte sich um eine Stelle im Amun-Tempel von Waset beworben, weil er näher an der Totenstadt auf dem Westufer sein wollte. Er und Yuf waren befreundet, aber Aahmes-nofretari wusste, dass eine Empfehlung für den wichtigen Posten als Königlicher Lehrer nicht nur auf Freundschaft allein beruhte.
    Pa-sche betrat den Empfangssaal mit mehreren Proben seiner Schreibkunst, einem Brief vom Hohen Priester, einem anderen von seinem Gebieter im Osiris-Tempel in Aabtu und einer kleinen Abhandlung über einige der älteren Grabmäler, die er in seiner freien Zeit verfasste. Er wartete geduldig, bis die wichtigeren Tagesgeschäfte beendet waren und sich die Ratgeber auf ihre zeitweiligen Arbeitszimmer verteilt hatten. Dann winkte Ahmose ihn herbei, streckte die Hand nach seinen Empfehlungsschreiben aus, überflog sie und reichte sie an seine Gemahlin weiter. Aahmes-nofretari schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln. »Die Schreiben, die du bringst, sind sehr schmeichelhaft«, sagte sie. »Aber ein Königlicher Lehrer muss mehr als nur Klugheit besitzen. Er muss in der Lage sein, sich das Vertrauen und die Achtung seiner Schüler zu erwerben. Hast du viel mit Kindern zu tun gehabt, Pa-sche?«
    »Nein, Majestät«, war die rasche Antwort. »Aber die Gelegenheit, einen jungen Geist zu formen, insbesondere den eines Menschen, der einmal in Ägypten herrschen wird, ist eine einmalige Herausforderung. Mein Vater hat mich fest, aber sanft erzogen, und genau diese Mischung aus Freundlichkeit und Disziplin möchte ich bei meinem Schüler anwenden.«
    »Prinz Ahmose-onch braucht mehr Disziplin als Freundlichkeit«, meinte Ahmose. »Seine Kinderfrau hat ihn verwöhnt und ihm viel zu viel durchgehen lassen.«
    »Auf eine Zeit gegenseitiger Anpassung bin ich gefasst, Majestät«, antwortete Pa-sche. »Ich habe gehört, dass der Prinz ungebärdig ist, aber eine gewisse Mutwilligkeit kennzeichnet oftmals ein edles und kluges Wesen, das schlicht Lenkung erfordert.« Ahmose beugte sich vor.
    »Anscheinend bist du bereit, den Jungen zu zähmen. Wie willst du das anfangen?«
    In Pa-sches Augen funkelte es auf. »Der Prinz ist noch keine fünf«, sagte er beflissen. »Für die ersten sechs Monate schlage ich je eine Stunde Unterricht morgens und nachmittags vor, in denen ich ihn die Elemente der einfacheren hieratischen Schrift lehre, ehe wir uns an die förmlicheren Hieroglyphen wagen. Ein Werk mit Namen Kemyt ist vor siebenhundert Jahren genau für diese Zwecke verfasst worden. Ich könnte mir denken, dass du, Majestät, auch mit diesem uralten Text angefangen hast, ehe du zu den Lehren für Osiris Amenemhat I. und der Hymne an den Nil weitergegangen bist, die Cheti, Sohn des Duauf, verfasst hat.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Ahmose wehmütig. »Und bei jedem Wort wurden mir Schläge angedroht. Mein Lehrer war ein strenger Zuchtmeister.«
    »Schläge sind mein allerletztes Mittel«, sagte Pa-sche entrüstet, und Aahmes-nofretari lachte.
    »Vielleicht änderst du deine Meinung noch!«, sagte sie. »Und außerdem bekommst du es mit seiner Kinderfrau Raa zu tun. Sie murrt zwar über seinen Ungehorsam, nimmt ihn aber immer in Schutz.« Pa-sche zögerte.
    »Majestät, wäre es dir recht, wenn ich ein Zimmer neben dem Prinzen bekäme?«, fragte er. »Er muss in mir genauso den Freund und Hüter sehen wie den Lehrer. Ich möchte bei ihm sein, wenn er isst, schwimmt, betet. Jede Willensäußerung bietet Gelegenheit zur Schulung.«
    »Das verstößt gegen die Regel«, überlegte Ahmose. »Aber wenn du dich selbst bestrafen willst, können wir es hinbekommen. Aahmes-nofretari, was hältst du davon?« Sie musterte lange das Gesicht des Schreibers, ehe sie antwortete.
    »Eine eigenartige Ausbildungsmethode«, sagte sie zögernd. »Fürs Erste bin ich jedoch geneigt, Pa-sches Bitte stattzugeben. Chabechnet!« Der Oberste Herold trat zu ihnen und verbeugte sich. »Suche Ahmose-onch und bring ihn her. Er soll den Mann, der ihm das Leben sauer machen wird, lieber gleich kennen lernen.« Ihr Blick kehrte zu Pa-sche zurück. »Vergiss nie, dass du den Falken-im-Nest ausbildest«,

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