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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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drücke mich ungeschickt aus. Wenn ich es doch nur klarer formulieren könnte, denn es ist einer der Gründe, warum mich der Tod unseres Kindes nicht mehr anrührt.«
    »Wenigstens schaffst du es, den Mangel an Gefühl zuzugeben«, sagte sie mit belegter Stimme.
    »Entschuldigung«, sagte er noch einmal. »Es sind nicht Erinnerungen, die mir fehlen, auch wenn es nur wenige sind, und auch keine Kälte gegen sie. Sie war da. Jetzt ist sie bei den Göttern. Ich war ihr Vater, und ihr Heimgang hat eine Spur auf meinem Ka hinterlassen. Aber es ist eine Spur, die Ereignisse hinterlassen haben, nicht Gefühle. Der Tod ist nicht mehr Teil des Lebens wie zu der Zeit, als die Familie noch kämpfen musste. Er ist zu etwas Abgetrenntem, Abgesondertem geworden.«
    »Er ist nie abgetrennt«, gab sie heftig zurück. »Falls du das glaubst, dann machst du dir etwas vor, Majestät.«
    Wieder herrschte Schweigen zwischen ihnen, das nur vom Schrei eines Falken gestört wurde, der irgendwo hoch oben kreiste, und von knirschendem Leder, als einer der Soldaten seinen Gurt stramm zog. Dann sagte Ahmose: »Denkst du noch manchmal an Si-Amun, Aahmes-nofretari? Denkst du oft an ihn? Schließlich war er Kamoses älterer Zwilling, vor mir dein Ehemann und Ahmose-onchs richtiger Vater. Hat er noch immer einen Platz in deinem Herzen?«
    »Natürlich doch!«, rutschte es ihr heraus. »Er hat es gut gemeint, aber er war schwach, und sein Schicksal war grausam und schlimm, aber ich habe ihn geliebt. Du doch auch. Was die Liebe einer Ehefrau zu ihrem Mann angeht, so gehört meine dir, und nur dir allein. Er fehlt mir nicht. Wenn ich manchmal um ihn trauere, dann um die brutalen Notwendigkeiten der Vergangenheit, in der Si-Amun seine Rolle gespielt hat, und nicht um Si-Amun an sich.« Sie stand erregt auf. »Was ist heute über dich gekommen?« Er mochte sie noch immer nicht ansehen.

»Ich weiß, dass ich dich zum Fluss treibe«, sagte er leise und verwendete dabei das Bild, das die Not der Frauen schilderte, die durch Krieg ohne Mann und Heim waren. »Ich habe Angst, dass ich deine Achtung verliere.«
    Ein Dutzend bittere Antworten lagen ihr auf der Zunge. Der Tag heute gehört Hent-ta-Hent, da kannst du dich nicht gehen lassen. Seit du heimgekommen bist, hast du mir weder Takt noch Zärtlichkeit entgegengebracht. Deine Unsicherheit hat ihre Wurzeln in selbstsüchtiger Furcht, nicht in Liebe zu mir. Aber sie schluckte sie allesamt hinunter und ging unsicheren Schrittes zum Fluss, wo ihre Sänfte am Stamm einer betagten Sykomore stand.
    »Zurück zur Bootstreppe«, fuhr sie die Träger an, kletterte in die Kissen und zog die Vorhänge zu.
    Anfang Phamenoth begann die Wachstumsperiode. Überall auf dem schmalen Streifen Land zu beiden Seiten des Nils, der von der Wüste begrenzt wurde, wuchsen Weizen, Gerste und Flachs üppig heran. Überall konnte man Bauern sehen, die sich verdreckt und barfuß über ihre Hacken beugten oder knietief inmitten der gedeihenden Ernte standen, während die Fischer in ihren Feluken auf dem Fluss hin-und herglitten.
    Aahotep, Yuf und Tetischeri waren mit einem großen Gefolge von Dienern und Soldaten, Kisten und Kasten mit offiziellen Geschenken für die Bürgermeister der Städte, bei denen sie anlegen würden, nach Djeb aufgebrochen, dazu kamen noch Aahoteps Leibarzt und private Anweisungen von Aahmes-nofretari, sowohl in Esna als auch in Pi-Hathor Verbindung mit den Spionen aufzunehmen, falls die etwas zu berichten hatten. »Diese beiden Städte machen mir ungute Gefühle, und ich weiß nicht warum«, hatte sie zu ihrer Mutter gesagt. »Sorge dafür, dass Großmutter nichts von unserem geheimen Tun erfährt. Sie schafft nur Unordnung. Verlasse dich auf deine Einfühlungsgabe, Aahotep, und mögen deine Sohlen festen Tritt finden.« Der ganze Haushalt war erschienen, um ihnen Lebewohl zu sagen.
    »Vermutlich bist du froh, dass du mich eine Weile los bist«, hatte Tetischeri Aahmes-nofretari angeblafft, doch ihr Lächeln strafte ihre Worte ein wenig Lügen. Sie täuscht sich, dachte Aahmes-nofretari, als sie zusah, wie das fröhlich herausgeputzte Schiff langsam nach Süden gerudert wurde und die blauweißen königlichen Fahnen in der ablandigen Brise flatterten und die Riemen glitzerndes Wasser hochspritzten. Du wirst mir fehlen, Mutter auch. Am meisten Mutter. Ihre Gegenwart macht alles im Haus so selbstverständlich, obwohl sie sich selten zeigt.
    Vor ihrem Aufbruch hatte Aahotep ihren Priester nach einem geeigneten

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