Die Straße nach Eden - The Other Eden
ihm.
»Darum hattest du mich doch vor einiger Zeit gebeten«, sagte ich. »Es hat mich zu den Wandgemälden geführt. Lies es, vielleicht entdeckst du ja noch ein paar andere interessante Hinweise darin.«
Alexander schob das Buch in die Tasche, dann beugte er sich zu mir und küsste mich zart auf die Stirn. »Hab keine Angst«, beruhigte er mich. »Ich bleibe ganz in der Nähe.«
Ich versuchte aus diesen Worten Trost zu ziehen, doch Marys nächste Worte trafen mich bis ins Mark, und beinahe wäre es um meine mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung geschehen gewesen.
»Eleanor, dies ist Dr. Dunham. Ich habe ihn extra hergebeten, weil er auch deine Großmutter behandelt hat.«
Ich blinzelte sie ungläubig an. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Dr. Dunham lächelte, doch sein Lächeln wirkte aufgesetzt, und seine grauen Augen blieben kühl. Ich warf Mary einen flehenden Blick zu, aber diese hatte bereits den Rückzug angetreten.
»Wenn Dr. Dunham fertig ist, bringe ich dir einen kleinen Imbiss hoch«, murmelte sie, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpressend.
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, erstarb Dr. Dunhams Lächeln, ein abwägender Ausdruck trat auf sein Gesicht. Er begann, mich körperlich gründlich zu untersuchen, dann stellte er mir eine Reihe von Fragen, die vermutlich dazu dienten, meine geistige Verfassung zu überprüfen. Nach der Untersuchung trat er in den Flur hinaus, wo er mit gedämpfter Stimme mit Mary zu tuscheln begann. Er hatte die Tür nicht ganz hinter sich geschlossen, und dank der unebenen Böden des alten Hauses schwang sie einen Spalt breit auf, sodass ich einen Teil des Gesprächs mit anhören konnte.
»… sind die Ursachen für ihren Zustand wohl bei der Klimaumstellung, der Isolation, in der sie lebt und dem Mangel an sinnvoller Beschäftigung zu suchen.«
»Dann glauben Sie also nicht, dass es etwas mit … mit ihrer Großmutter zu tun hat?«, tastete sich Mary behutsam vor.
Eine lange Pause trat ein, ehe der Arzt antwortete. »Ich habe meine alten Krankenunterlagen zu Rate gezogen, es scheint, dass Mrs Fairfax’ Wahnvorstellungen sich auf ähnliche Weise manifestierten wie die von Miss Rose - vornehmlich durch Träume. Solche Symptome können, müssen aber nicht zwingenderweise auf eine geistige Störung hindeuten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Mrs Fairfax schon jahrelang krank war, bevor sie erste Anzeichen von Verwirrtheit zeigte, Miss Rose ist dagegen erst vor Kurzem erkrankt. Aber der Patientin ist das Schicksal ihrer Großmutter bekannt, schon allein dieser Umstand kann zusammen mit der neuen Umgebung und allen anderen Faktoren durchaus zu auf Angst basierenden Halluzinationen führen.
Wenn in den nächsten Tagen keine Besserung eintritt, werde ich weitere Tests durchführen. Bis dahin versuchen Sie, sie von ihrer Besessenheit von der Vergangenheit abzulenken. Ich lasse Ihnen ein paar Beruhigungstabletten da. Verabreichen Sie sie ihr, wenn sich ein hysterischer Anfall wie in der letzten Nacht ankündigt, aber bitte erst dann, wenn die Wirkung des Schlafmittels, das Sie ihr gestern Abend eingegeben haben, abgeklungen ist. Gestern hat sie viel zu viel davon eingenommen. Sie dürfen die empfohlene Dosis auf keinen Fall überschreiten.«
»Ich fürchte, das war meine Schuld. Ich wusste nicht, dass sie vorher schon Chloralhydrat bekommen hat.«
»Das ist unter diesen Umständen durchaus verständlich. Trotzdem muss ich mich darauf verlassen können, dass Sie
der Verantwortung, sie zu pflegen, auch gewachsen sind. Wenn nicht, schicke ich Ihnen eine Krankenschwester.«
»Nein, ich kümmere mich selbst um sie.«
»Gut. Noch etwas. Behalten Sie sie möglichst ständig im Auge. Sie darf auf keinen Fall alleine irgendwo hingehen, auch dann nicht, wenn sie einen vollkommen gesunden Eindruck macht. Es ist typisch für derartige manische Phasen…«
Den Rest des Satzes konnte ich nicht mehr verstehen, denn einer der beiden hatte bemerkt, dass die Tür einen Spalt offen stand, und schloss sie mit Nachdruck, dann verklangen die Stimmen im Flur. Ich spürte, wie mich erneut eine bleierne Mattigkeit überkam und versank wieder in einen unruhigen Halbschlaf, während in einem kleinen noch klaren Winkel meines Bewusstseins unaufhörlich eine leise Alarmglocke schrillte.
7. Kapitel
D en Rest des Tages verbrachte ich in einer Art Dämmerzustand. Bruchstückhafte Bilder der letzten Tage vermischten sich mit Traumfetzen, bis ich Traum und
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