Die Straße nach Eden - The Other Eden
Eleanor Rose... aber mir sind Sie nicht gewachsen.«
Ich schloss die Augen, nahm all meine Kraft zusammen und rief noch einmal: »Mary!«
Sie drückte sich noch einen Moment an der Tür herum, ohne ihren angsterfüllten Blick von mir abzuwenden, dann stammelte sie: »Mr Ducoeur, es tut mir furchtbar leid, aber…«
Dorian schenkte ihr ein beschwichtigendes Lächeln. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Bishop. Einem Patienten in ihrem Zustand muss man vieles nachsehen.« Sein Blick wanderte über mich hinweg, als wolle er sich vergewissern, dass ich seine Bemerkung gehört hatte. »Dann will ich nicht länger stören. Wenn Sie Hilfe bei der Restaurierung
dieser wundervollen Wandgemälde brauchen, lassen Sie es mich wissen. Ich bin ja sozusagen ein Fachmann auf diesem Gebiet.« Wieder lächelte er, dann verließ er den Raum.
Mary trat an mein Bett und sah auf mich hinunter. Zu der Furcht in ihrem Gesicht hatten sich jetzt Missbilligung und Hilflosigkeit gesellt. »Eleanor, ich weiß, dass du krank bist, aber ich kann nicht dulden, dass du so mit ihm umspringst.«
Wieder suchte ich verzweifelt nach einem Weg, um ihr klarzumachen, dass Dorian sie nur für seine eigenen Zwecke benutzte, und wieder musste ich einsehen, dass ich momentan wohl kaum dazu im Stande war.
»Ich will ihn nicht hierhaben«, war alles, was ich herausbrachte.
»Das hättest du ihm ja wohl auf eine etwas höflichere Weise zu verstehen geben können.«
Während Mary fortfuhr, mir Vorhaltungen zu machen, kreisten meine Gedanken um Dorians Abschiedsworte. Er hatte ganz offensichtlich Angst vor mir, aber da ich den Grund dafür nicht kannte, konnte ich nicht erahnen, was er als Nächstes tun würde. Ich wusste nur, dass ich mich in meinem jetzigen Zustand niemals gegen ihn zur Wehr setzen könnte.
»Mary«, fiel ich ihr dann ins Wort, »ich muss unbedingt mit Alexander sprechen.«
»Eleanor, ich weiß nicht, ob das eine so gute…«
»Bitte, Mary!«
Sie sah mich lange an, dann nickte sie. »Also gut, ich sage ihm Bescheid. Aber ich rufe auch einen Arzt an.«
»Tu das, wenn du das wirklich für nötig hältst.« Ich ließ mich wieder in die Kissen zurücksinken. Der Wortwechsel hatte mich angestrengt. »Aber beeil dich bitte.«
Ich musste eingedöst sein, denn es schien nur ein kurzer
Moment vergangen zu sein, als Alexander auch schon den Raum betrat. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich dann auf den Stuhl, den Dorian kurz zuvor benutzt hatte.
Ich richtete mich mühsam auf und umklammerte meine Hand. »Warum hast du mir heimlich ein Schlafmittel verabreicht, Alexander?«
»Ich dachte, es würde dir helfen, die Nacht durchzuschlafen«, verteidigte er sich kläglich.
»Leider hast du stattdessen Dorian direkt in die Hände gespielt.«
Seine Brauen zogen sich zusammen. »Wie meinst du das?«
»Er versucht Mary offenbar einzureden, ich würde langsam den Verstand verlieren«, erklärte ich ihm. »Und nach gestern Abend tragen seine Bemühungen anscheinend Früchte.«
»Das ist doch lächerlich. Mary weiß genau, dass das nicht stimmt.«
»Jetzt sind ihr aber Zweifel gekommen.«
»Wirklich, Eleanor, meinst du nicht…«
»Geh doch und frag sie selbst.«
Er musterte mich einen Moment lang zweifelnd, dann nickte er. »Also gut.«
Er verließ den Raum, und ich schloss erneut die Augen. Es dauerte lange, bis er zurückkam.
»Und?«, fragte ich, als er sich wieder an mein Bett setzte.
»Sie sagte … sie hat Angst, du könntest die ersten Symptome derselben Krankheit zeigen, an der deine Großmutter gelitten hat. Und sie hat mir zwei Briefe gezeigt, die du wohl vor ihr versteckt hast - einen von einem hiesigen Arzt und einen von einem Krankenhaus in Paris. Ich habe versucht, ihr zu erklären, was es damit auf sich hat, aber sie hat mir überhaupt nicht zugehört.«
Der Raum verschwamm um mich herum. Ich schloss die Augen. Erst dachte ich an Dorian, dann wanderten meine Gedanken zu der Nacht zurück, in der ich bei Tascha gewacht und sie seinen Namen ausgesprochen hatte. Vor dem Hintergrund der nicht zu benennenden Gefahr, die von ihm ausging, kam das Mädchen mir vor wie eine wei ße Motte, die viel zu nah am Netz einer außerordentlich gerissenen Spinne entlangflattert. Eine zerbrechliche wei ße Motte, über deren Flügel Sonnenstrahlen tanzten … ein strahlender Engel … Sonne in blondem Haar … ein duftiges weißes Kleid. Eves überbelichtetes Foto von ihrer Mutter nahm hinter meinen Lidern Gestalt an und verwandelte
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