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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Eves letzte Verwandte, ihre einzige legale Erbin. Ihr Leichnam war nie gefunden worden. Mir war nichts geblieben, kein einziger Ansatzpunkt. Ich dachte lange darüber nach, dann begann ich allmählich zu begreifen. Vielleicht lag das Problem ja genau bei dem, was greifbar war, denn es gab eine unleugbare Verbindung zwischen den Tragödien der Vergangenheit, an der ich bis heute festgehalten hatte. Trotz Marys anfänglichem sanften Drängen und dem weitaus aggressiveren Druck, den verschiedene Grundstücksmakler auf mich ausübten, hatte ich Eden’s Meadow nie verkauft. Der Grund dafür lag auf der Hand, obwohl ich es vorzog, meine Motive nicht zu hinterfragen.
    Trotz allem, was geschehen und was mir genommen worden war, ermöglichte es mir das Wissen, dass Eden noch immer unversehrt existierte, an der Vergangenheit und dem, was ich verloren hatte, festzuhalten.
    Jetzt erkannte ich, dass das ebenso eigensüchtig wie sinnlos war. Der erste Makler, den ich einschaltete, verkaufte die gesamte Plantage für einen weit höheren Preis, als ich jemals dafür zu erzielen gehofft hatte. Am nächsten Tag schickte ich in der Erwartung, mich dann von einer Last befreit zu fühlen, die Schlüssel nach Louisiana. Doch obwohl Eve mir fortan nicht mehr im Traum erschien, wurde ich das Gefühl nicht los, dass es mit dem Verkauf von Eden allein noch nicht getan war. Irgendetwas war noch immer unvollendet.
    Also grub ich, um einen anderen lange unterdrückten Teil meines Gewissens zu beschwichtigen und um mich abzulenken Alexanders alte Kompositionen wieder aus. Ich kopierte sie und schickte sie dann in Ermangelung einer besseren Idee an meine Verlegerin in New York. Sie verkaufte sie innerhalb einer Woche an einen Sammler.
    Der Erlös fiel eher bescheiden aus, reichte aber aus, um
die Veranstaltungsleiter der Symphony Hall dazu zu bewegen, ein Benefizkonzert zugunsten russischer Waisen ins Leben zu rufen. Man bat mich, es zu eröffnen. Ich hatte seit meinem einundzwanzigsten Geburtstag keinen Fuß mehr in diesen Konzertsaal gesetzt, wusste aber nicht, wie ich mich hätte weigern können, an der Veranstaltung teilzunehmen. Tascha wollte mich aus Gründen, die sie für sich behielt, nicht begleiten, also ging ich allein.
    Ich hatte sowohl mit äußerlichen Veränderungen als auch mit jenem Gefühl gerechnet, das einem einen einst vertrauten Ort, den man lange Zeit nicht gesehen hat, stets kleiner und weniger beeindruckend erscheinen lässt, als man ihn in Erinnerung hat. Doch stattdessen erkannte ich mit fast schmerzhafter Deutlichkeit, dass die Symphony Hall wie alle meine Erinnerungen zu der brüchigen Schale rund um meine Vergangenheit geworden war, die ich immer für undurchdringlich gehalten hatte. Der Saal war nur halb voll, der größte Teil des Publikums bestand aus Leuten meines Alters. Die festliche Atmosphäre früherer Zeiten existierte nicht mehr. Niemand schien es für nötig zu halten, sich für ein Konzert herauszuputzen.
    Auch für die Vorstellung brachte ich wenig Begeisterung auf. Die Pianistin war eine junge, technisch nahezu perfekte Asiatin, die aber die Musik, die sie spielte, noch nicht einmal ansatzweise verstand. Beinahe wäre ich gegangen, bevor das Konzert zu Ende war, doch hinterher war ich froh, mich doch zum Bleiben entschieden zu haben, denn als Zugabe spielte sie ein äußerst ungewöhnliches Stück eines estnischen Komponisten, dessen Name mir entfallen ist. Aus diesem Stück hörte ich Ansätze der wehmütigen, seltsam berührenden Leidenschaft von Alexanders Musik heraus, die ich bei ihrer Interpretation seiner Werke vermisst hatte. Kurz vor Ende des Stückes blickte ich mich im Saal um, und Alexander sah mich mit großen, erwartungsvollen Augen
an. Seine Wangen waren gerötet, seine Lippen verzogen sich zu jenem einnehmenden Lächeln, das mich vom ersten Moment an bezaubert hatte. Ich zwinkerte, und der Sitz, auf dem er gesessen hatte, war wieder leer.
    Als ich den Saal verließ, hatte es aufgehört zu regnen, und der Himmel klarte auf. Ich sagte meinem Chauffeur, ich wolle zu Fuß gehen, und schickte ihn nach Hause, worein er sich nur widerwillig fügte.
    Die kühle Herbstluft in tiefen Zügen einatmend beschleunigte ich meine Schritte und schlenderte die Newbury Street hinunter, wobei ich meinem Schöpfer im Stillen dafür dankte, im Alter von Rheumatismus und Übergewicht verschont geblieben zu sein. Ich betrachtete die hell erleuchteten Fenster der Cafés und Restaurants und blieb sogar einmal

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