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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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dabei wünschte ich mir, ihn nur halb so leicht durchschauen zu können wie all die jungen Männer, die ich in Boston gekannt hatte.
    »Eine Irrsinnige vielleicht. Aber selbst wenn sie das ist, halte ich sie nicht für gefährlich. Eher für eine tragische Figur, wie alle Menschen, die nicht mehr bei Verstand sind.«
Alexander erwiderte mein Lächeln, aber es erstarb rasch und machte einem kummervollen Ausdruck Platz, der in mir eine unerklärliche Furcht auslöste. »Ich habe so ein Gefühl, dass sie irgendwie mit meiner Tante Eve zu tun haben könnte. Der Zwillingsschwester meiner Mutter.«
    Diesmal musterte er mich mit offenkundigem Zweifel. »Eve von Eden’s Meadow?«
    »Zugegeben, das klingt ein bisschen dramatisch…«
    »Nicht unbedingt«, meinte er bedächtig. »Glaube versetzt Berge, heißt es doch.«
    »Mary hat mir erzählt, meine Großmutter wäre eine tief gläubige Frau gewesen.«
    »Sie haben sie nie gekannt?«
    »Sie starb in dem Jahr, in dem ich geboren wurde, und zu dieser Zeit hatte sich meine Mutter bereits von ihrer Familie losgesagt.«
    Er zögerte einen Moment, ehe er weitersprach. »Wie kommen Sie darauf, dass zwischen Ihrer Tante und diesem Haus ein Zusammenhang bestehen könnte?«
    Ich atmete noch einmal tief durch, dann berichtete ich ihm, wie ich von Eves Existenz erfahren hatte, von der problematischen Beziehung zwischen meinem Großvater und meiner Mutter und von der Bemerkung, die mein Großvater Mary gegenüber über das Haus gemacht hatte. Ich beschrieb ihm das Haus auf dem Hügel, das scheinbar bewohnte Turmzimmer und das Klavier, das mich erst dazu gebracht hatte, vergessen geglaubte Musik zu spielen und danach scheinbar von selbst gespielt hatte. Endlich erzählte ich ihm von den Schritten, die ich in der Halle gehört hatte, und dass ich dem Phantom nur um Haaresbreite entkommen war.
    Als ich geendet hatte, maß mich Alexander mit einem langen, eindringlichen Blick, der diesmal eindeutig auf dem Diamantanhänger um meinen Hals hängen blieb.

    »Sind Sie sicher, dass nicht einfach nur ein Landstreicher in das Haus eingedrungen ist?«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich«, gab ich zurück; froh, irgendetwas sagen zu können. »Zum einen war das Turmzimmer makellos sauber. Soweit ich weiß, hinterlassen Landstreicher immer einen Haufen Müll. Außerdem wusste sie, wo die Schlüssel aufbewahrt wurden. Und sie hat entschieden zu gut Klavier gespielt.«
    »Landstreicher entstammen allen Gesellschaftsschichten, und jeder kann zufällig auf einen Schlüsselring oder eine verborgene Tür stoßen. Bei der Person, die sich heute in dem Haus aufgehalten hat, muss es sich nicht unbedingt um Ihre verschwundene Tante handeln.«
    Ich sah ihn an, und er gab meinen Blick zurück. Nichts in seinem Gesicht deutete darauf hin, dass er meine Geschichte für unsinnig hielt. Ich spürte, dass er darauf wartete, noch mehr darüber von mir zu hören. Gedankenverloren betrachtete ich die in das Becken fallenden glitzernden Tropfen. Außer dem Plätschern des Wassers war kein Laut zu hören.
    Wieder schwirrten Erinnerungsfetzen in meinem Kopf herum, Teile des Traums, die versuchten, sich zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Dann kam alles mit einem Mal und mit Macht zurück. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und wurde wie der Kloß, der sich angesichts von Alexanders Lächeln in meinem Magen gebildet hatte, rasch zu einem seltsam vertrauten und zugleich beunruhigenden Gefühl.
    »Ich weiß, dass es kein Zufall ist«, sagte ich endlich, dabei umklammerte ich den Rand des Springbrunnens, als könne ich Kraft daraus schöpfen. »Und zwar wegen der Träume.«
    »Träume«, wiederholte er mit einem kaum merklichen Anflug von Schärfe in der Stimme.

    »Ich habe sie mein Leben lang gehabt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Ich musterte ihn; versuchte zu ergründen, ob er die Frage aus ehrlichem Interesse gestellt hatte oder ob sie spöttisch gemeint war, doch sein Blick ruhte unverwandt auf dem Wasser. »Ich träume von Eve«, bekannte ich. »Ich habe von ihr geträumt, seit ich ein Kind war. Seit ich mich erinnern kann. Bis ich vor ein paar Tagen das Bild im Cottage sah, hielt ich sie für ein Produkt meiner Fantasie, einen Ersatz für meine Mutter, die starb, als ich noch sehr klein war. In der Nacht, in der mein Großvater starb, träumte ich auch von Eve. Und in der Nacht, nachdem ich Sie zum ersten Mal gesehen habe.«
    »Haben Sie…«, begann Alexander zögernd, dann hielt er inne. »Haben Sie

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