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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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herzförmige Blätter, zwischen denen kleine rosafarbene, schwach nach Zitronen duftende Blüten schimmerten. Unter dem Baum stand die Statue eines Flöte spielenden Jungen, der fast einem wirklichen, für immer im Spiel erstarrten Kind glich. Zu seinen Füßen lag ein mit Seerosen übersäter Teich.
    Am Himmel funkelten mehr Sterne, als ich je zuvor gesehen hatte; so viele, dass der Himmel so ultramarinblau leuchtete wie das Firmament eines Renaissancefreskos und sich im Teich zu den Füßen der Statue widerspiegelte. Alexander kniete am Wasserrand nieder und schob einige Seerosen zur Seite. Als ich auf das Wasser blickte, begannen die Sterne ihr Bild zu verändern, sie wirbelten und zuckten im Zickzack umher, bis ich nicht länger hinsehen konnte. Als sie wieder zum Stillstand gekommen waren, hatten sie sich auf dem dunklen Spiegel des Teiches zu zwei Gesichtern geformt, die zu uns aufblickten.
    Das Gesicht direkt unter mir erkannte ich sofort: das blasse Antlitz einer Frau mit onyxfarbenen Augen, in denen eine Leidenschaft schlummerte, die ihrem äußerlichen Ebenbild fremd war. Das Spiegelbild unter Alexander ähnelte ihm selbst, wies aber hellere Farben auf, und auf seinem Gesicht lag ein anderer Ausdruck. Irgendetwas stimmte mit diesen Bildern nicht. Eve wirkte kummervoll und erschöpft, der Mann neben ihr verbittert und berechnend.
    Während ich sie ansah, füllten sich Eves Augen mit Tränen, obwohl sich in ihrem Gesicht nichts regte. Dann verschwamm die Welt um mich herum, und plötzlich weinte ich ebenfalls, weinte bitterlich um etwas, was ich nicht benennen
konnte. Eve griff an ihren Hals, nahm den Rubinanhänger ab, den sie trug, und hielt ihn mir hin. Ich griff in das Wasser. Als sich meine Hand um den kleinen harten Stein schloss, verblasste Eves Bild, und die Seerosen schlossen sich wieder über der von Alexander geschaffenen Lücke.
    Ich hielt den Edelstein in das Mondlicht und betrachtete die schimmernden Prismen. Als ich ihn wieder sinken ließ, registrierte ich, dass Alexander mich eindringlich musterte. Dann sagte er leise: »Erinner dich.«
    Der Mond stand jetzt noch tiefer am Horizont, sein fahles Licht wurde rasch schwächer. Die Sterne zogen meinen Blick magnetisch an. Wieder begannen sie am Himmel umherzuwirbeln, aber diesmal konnte ich mich nicht abwenden. Sie drehten sich so schnell, dass sie mit dem Himmel und dem Mond zu einem einzigen Strudel verschmolzen. Von ihnen drohte mir eine furchtbare Gefahr, vor der ich davonlaufen musste, das spürte ich, aber ich vermochte mich nicht von der Stelle zu rühren. Nacktes Entsetzen überkam mich.
    Ich griff nach Alexander, doch er war verschwunden. Der Himmel hatte sich tiefschwarz verfärbt. Ich begann in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, versuchte zu schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Während ich fiel, erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf zwei Gestalten, die nebeneinander unter etwas standen, was wie ein von einem Lichtkreis umgebener Baum aussah, und irgendetwas zwischen sich hielten. Dann verschwanden sie im Dunkel, und ich hörte in der Ferne schwach, aber ganz klar und unverkennbar die qualvollen Klagelaute einer Frau, deren Herz gebrochen ist.
     
    Nach Atem ringend fuhr ich hoch. Einen Moment lang wusste ich nicht, wo ich war. Dann sah ich das Klavier in
der Ecke und begriff, dass ich im Musikzimmer eingeschlafen war. Aus dem Winkel der Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fielen, schloss ich, dass ich mehrere Stunden geschlafen haben musste. In meinem Kopf hatte ein heftiges Pochen eingesetzt, und jeder Muskel meines Körpers schmerzte. Ich fühlte mich elend, verwirrt und verängstigt. Mir war klar, dass ich geträumt hatte, von einem Albtraum heimgesucht worden war, aber das Wenige, woran ich mich erinnern konnte, zog in unzusammenhängenden Bildern an meinem geistigen Auge vorbei.
    Meine rechte Hand brannte, sie war zu einer festen Faust geballt. Als ich sie öffnete, fiel der Diamant, der einst meiner Mutter gehört hatte und den ich immer trug, in meinen Schoß. Ich konnte mich nicht entsinnen, ihn abgenommen zu haben, es musste also in meinem Traum geschehen sein.
    Ich rieb mir die Augen und meine schmerzende Stirn. An diesen Traum hätte ich mich erinnern müssen, das wusste ich, dass es mir nicht gelang, brachte mich zur Weißglut. Alexander war darin vorgekommen, aber welche Rolle er gespielt hatte, konnte ich nicht sagen. Dann war da ein Musikstück gewesen - weder eine Nocturne noch eine Serenade, eher eine

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