Die Straße nach Eden - The Other Eden
Mischung aus beidem - und ein Flöte spielender Junge. Ein Rosengarten, Wasser im Mondschein, zwei Gesichter, die verschwommen blieben … ich gab auf, legte mir die Kette mit dem Anhänger wieder um und machte mich dann auf die Suche nach Mary.
In der Halle herrschte Stille. Ich rief nach ihr, dann nach Colette, aber niemand antwortete. Die Zeiger der Standuhr standen auf halb sechs; die Zeitspanne zwischen jedem Ticken erschien mir unnatürlich lang. Einen Moment lang ruhte mein Blick auf der Tapete hinter der Uhr: ein grellrotes modernes Gewirr aus Rosen und Ranken, das überhaupt
nicht zu Edens sonstigen verhaltenen Farben passte. Auch sie erinnerte mich einen Augenblick lang an meinen Traum, doch dieses Gefühl verschwand so schnell, wie es mich überkommen hatte.
Ich wandte mich ab, ging den Korridor hinunter und spähte in eine Reihe leerer Räume, bis ich zur Bibliothek kam. Dort hörte ich hinter der geschlossenen Tür endlich Marys Stimme. Sie saß mit Alexander und Tascha an dem langen Tisch. Vor ihnen lagen einige Bücher.
»Eleanor!«, rief Mary, als sie mich sah. »Ich habe mich schon gefragt, ob du ewig schlafen willst.«
»Warum hast du mich nicht geweckt?«
»Ich dachte, du müsstest völlig erschöpft sein, sonst hättest du nicht am helllichten Tag so fest geschlafen. Bist du heute Morgen spazieren gegangen?«
»Ein Weilchen.« Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen, doch es misslang, weil Alexander mich mit einem durchdringenden Blick maß.
»Ich habe Alexander und Tascha gerade unsere Bibliothek gezeigt«, fuhr Mary fort. »Jean-Pierre und ein paar Freunde bringen die Sachen der Trewoschows inzwischen zum Cottage hoch.«
»Ich wollte ihnen dabei helfen«, warf Alexander ein. »Aber Mary hat es nicht zugelassen.«
»Das wäre ja auch noch schöner«, erwiderte ich. »Ich hoffe, wir können Sie auch überreden, zum Abendessen zu bleiben. Im Cottage müssen Sie sich ja erst einrichten, ehe Sie selbst etwas zubereiten können.«
»Ich habe sie bereits eingeladen«, sagte Mary.
»Sie haben hoffentlich angenommen.«
Alexander lächelte. »Wir haben uns nicht lange bitten lassen.«
»Wir essen normalerweise um acht«, erklärte Mary. »Da bleibt Eleanor noch genug Zeit, Ihnen den Rosengarten zu
zeigen, wenn Sie möchten. Er muss ungefähr so alt sein wie das Haus.«
»Ich würde ihn sehr gerne sehen«, versicherte Alexander mir so ernst, dass ich es nicht über mich brachte, den Vorschlag zurückzuweisen.
Als ich mich zu ihm umdrehte, ruhte sein Blick einen Moment lang auf meinem Hals. Verlegen nestelte ich an der Kette herum, die ich mir gerade eben wieder umgelegt hatte. Gleichzeitig fiel mir der Anfang des Traumes wieder ein: Alexander hatte im Ballsaal des Hauses auf dem Hügel neben dem Klavier gestanden und mich genauso eindringlich angesehen, wie er es jetzt tat. Dann hatte er mich in einen Garten geführt, in dem ein Kind neben einem dunklen Spiegel Flöte spielte. Danach verschwammen die Bilder wieder.
»Eleanor?«, hörte ich Mary behutsam fragen.
Ich sah sie kurz an, dann lächelte ich. »Entschuldige, ich habe vor mich hingeträumt. Wie sieht es aus - möchte Tascha auch mitkommen?«
»Vielleicht interessiert Tascha das alte Puppenhaus deiner Mutter mehr«, schlug Mary vor.
»Was möchtest du lieber, Schatz?«, wandte Alexander sich an Tascha.
»Ich möchte gerne das Puppenhaus sehen«, antwortete sie mit mühsam unterdrückter freudiger Erregung. Mary streckte ihr eine Hand hin, und das kleine Mädchen griff zutraulich danach.
»Wir sind in einer Stunde wieder da«, verkündete ich, und Mary winkte uns fröhlich nach.
Als ich mit Alexander allein in der Halle stand, überkam mich plötzlich eine verlegene Scheu. »Es tut mir leid, wenn Mary ein wenig aufdringlich erscheint«, stammelte ich, seinem Blick ausweichend. »Aber sie meint es gut. Sie findet, es ist höchste Zeit, dass ich heirate, und…« Ich brach ab, als mir klar wurde, was ich da gesagt hatte.
»So?«, gab Alexander sichtlich amüsiert zurück.
Mir stieg das Blut in die Wangen. »Ich weiß, wie das klingt, so habe ich es nicht gemeint.«
Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Natürlich nicht.«
Ich verwünschte mich im Stillen und wechselte rasch das Thema. »Um ehrlich zu sein bin ich froh, einmal unter vier Augen mit Ihnen sprechen zu können.«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Ich sah ihn fragend an. »Woher wissen Sie, dass etwas passiert ist?«
»Sie müssen aufhören, sich vor
Weitere Kostenlose Bücher