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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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lächelte. »Ist das Stück ein bisschen schwieriger, als du es in Erinnerung hattest?«
    Ich wandte mich von der bleigrauen Landschaft draußen ab und sah in ihre kurzsichtigen Augen. »Warum liebt alle Welt diese Ballade so? Hörst du nicht, dass sie von einer kranken Seele komponiert wurde? Er konnte noch nicht einmal den ersten Satz beenden, er hat ihn einfach nur immer wiederholt und ist dann zu etwas anderem übergegangen!«
    »Eleanor, was hat dich nur so aus der Fassung gebracht?«
    »Dieses Thema!« Ich sprang auf und begann auf dem fadenscheinigen Orientteppich auf und ab zu gehen. »Es treibt mich zur Weißglut!«
    »In diesem Licht habe ich das Stück noch nie betrachtet«, versetzte Mary bedächtig. »Aber ich kann verstehen, wieso du es so siehst. Die Ballade berührt dich sehr, nicht wahr?«
    »Ganz und gar nicht.« Ich blieb vor ihr stehen. »Ich habe sie noch nie gemocht, aber jetzt widert sie mich geradezu an. Aber du liebst sie - warum? Warum wirst du nie müde, sie immer wieder zu hören?«

    Jetzt war es an Mary, über den stillen See hinwegzublicken. »Vielleicht aus demselben Grund, der dir so zu schaffen macht: weil sie keine der Fragen beantwortet, die sie aufwirft. Dem Reiz eines solchen Rätsels kann man sich nur schwer entziehen.« Sie griff nach meiner Hand, als ich an ihr vorbeiging, und zog mich mit sanftem Nachdruck zu sich auf das Sofa.
    »Was glaubst du, wovon sie handelt?«, fragte ich.
    Mary presste die Lippen zusammen und betrachtete die von den Fenstern eingerahmte graugrüne Landschaft nachdenklich, dann antwortete sie: »Ich habe immer gedacht, es geht um zwei Liebende, von denen einer stirbt.«
    Auf diese kurze, präzise Antwort wusste ich nichts zu erwidern. Eine Weile saßen wir beide schweigend da und blickten in den Regen hinaus, ohne ihn bewusst wahrzunehmen. Dann schüttelte ich den Kopf, sah Mary wieder an und bemerkte erst jetzt, dass sie zwei Briefe in der Hand hielt.
    »Sind die für mich?«
    Sie hielt mir die Umschläge hin. »Ich hatte sie ganz vergessen. Sie sind heute Morgen gekommen.« Bei einem handelte es sich um einen ganz gewöhnlichen Manilaumschlag, der andere war aus schwerem hellblauem Papier, auf dem in einer kleinen, säuberlichen Handschrift mein Name stand.
    Ich öffnete zuerst den Manilaumschlag. Er enthielt einen kurzen Brief von Dr. Brown mit schlechten Neuigkeiten. Er hatte an Dr. Dunham in New Orleans geschrieben, und Dunham hatte zwar sofort geantwortet, es aber abgelehnt, Brown Einblick in die Krankenakte meiner Großmutter zu gewähren. Dr. Brown schloss mit den Worten, es bestünde auch dann wenig Hoffnung, dass er sich umstimmen ließ, wenn ich mich persönlich an ihn wenden würde.
    »Was steht denn darin?«, wollte Mary wissen.

    Ich hatte ihr nie von meinem Ausflug in das Dorf erzählt, und nun, da ich in einer Sackgasse gelandet war, sah ich wenig Sinn darin, jetzt noch langwierige Erklärungen abgeben zu müssen, also griff ich zu einer Notlüge und sagte ihr, das Schreiben käme von meiner Bank.
    Als ich den blauen Umschlag aufschlitzte, rechnete ich mit Schwierigkeiten bezüglich des Nachlasses meines Großvaters, doch was auf dem gleichfalls hellblauen Briefbogen stand, traf mich völlig unerwartet. Ich überflog ihn rasch, dann las ich den Brief Mary vor.
    Sehr geehrte Miss Rose,
     
    mein Name ist Dorian Ducoeur. Meine Familie stammt ursprünglich aus New York, aber wir sind mit den Ducoeurs von Joyous Garde verwandt, von denen Sie zweifellos gehört haben werden. Ich habe einst die Bekanntschaft der Familie Fairfax gemacht, die Ihnen ja sicherlich ein Begriff ist - Sie sind die Tochter von einem der Zwillinge, Elizabeth oder Eve, wenn ich mich nicht sehr irre.
    Damals verbrachten die Fairfaxes nur die Sommer auf Eden’s Meadow, glaube ich. Meine eigene Familie reiste in den Sommerferien häufig ins Ausland, was zur Folge hatte, dass wir wenig Kontakt zu unseren Angehörigen auf der Plantage hatten. Aber ein Kindheitsbesuch, in dessen Verlauf ich die Fairfaxes kennen gelernt habe, ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben.
    Wir waren zu einem Hausmusikkonzert eingeladen, zu dem Ihre Großmutter Claudine gebeten hatte. Als Claudine ihren Vortrag beendet hatte, forderte jemand ihre Töchter auf, etwas zu spielen. Die beiden waren damals noch Kinder, ungefähr in meinem Alter. Elizabeth, die das Publikum einzuschüchtern schien, weigerte sich,
aber Eve setzte sich an das Klavier und spielte die ›Pathétique‹. Ihre Schönheit und

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