Die Straße nach Eden - The Other Eden
schon wieder mit Beschlag«, stellte ich fest.
»Ich glaube, sie tun sich gegenseitig gut«, meinte Alexander. »Aber Tascha hängt sich an jeden, der bereit ist, sie ein bisschen zu verwöhnen. Ihre Mrs Mary ist momentan ihr Ein und Alles.«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht braucht sie das - ein bisschen verwöhnt zu werden, meine ich. Aber wenn es Ihnen nicht recht ist…«
»Nein, nein«, wehrte er rasch ab. »Ich freue mich, dass sich die beiden so gut verstehen. Außerdem glaube ich nicht, dass es Tascha schadet, verwöhnt zu werden.«
Colette hatte Eistee, Limonade und mehr zu essen aufgetischt, als wir würden bewältigen können. Ich schenkte zwei Gläser Tee ein.
»Lassen Sie uns auf die Galerie hinausgehen«, schlug ich dann vor.
Wir setzten uns in zwei Schaukelstühle, die Mary gekauft hatte.
»Haben Sie letzte Nacht wieder geträumt?« Alexander blickte zum Wald hinüber.
»Wir alle träumen jede Nacht«, gab ich zurück. »Nur erinnern wir uns meist hinterher nicht mehr daran.«
»Wollen Sie mir auf diese Weise zu verstehen geben, dass Sie sich nicht erinnern?«
Ich seufzte. »Nein, ich erinnere mich sogar sehr gut. Nur war es nicht letzte Nacht, sondern heute Nachmittag.« Ich beschrieb ihm den Traum. Er sah mich nicht an, sondern fuhr fort, mit grimmig zusammengepressten Lippen zu den dunklen Bäumen hinüberzustarren.
»Was halten Sie davon?«, fragte ich, als sein Schweigen unerträglich zu werden drohte.
»Sie beschreiben das alles so lebhaft … es fällt mir schwer zu glauben, dass Ihre Eve Ihnen nicht etwas mitteilen will. Was meinen Sie? Schließlich ist es Ihr Traum.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es war so rätselhaft - ich begreife einfach nicht, was es zu bedeuten haben könnte.« Alexander wartete darauf, dass ich weitersprach. Ich ließ das schmelzende Eis am Boden meines Glases kreisen. »Dieser plötzlich so veränderte Gesichtsausdruck, die Art, wie Eve meine Mutter angesehen hat, als sie ihr die Blume reichte und meine Mutter, als sie sie entgegennahm - ich stimme Ihnen zu, dass das eine Bedeutung haben muss, aber ich kann mir nicht vorstellen, welche.«
Alexander dachte eine Weile darüber nach, dann sagte er: »Die Blume war eine Rose, vergessen Sie das nicht. Vielleicht symbolisierte sie Sie.«
»Vielleicht«, nickte ich. »Aber sie wirkte zu jung, um mich schon zur Welt gebracht zu haben. Andererseits war sie sehr jung, als sie meinen Vater kennen lernte. Vielleicht steht die Rose für ihn.«
»Ist er auch so jung gestorben?«
»Das weiß ich nicht. Er und meine Mutter trennten sich kurz nach meiner Geburt, ich habe nie wieder von ihm gehört.« Alexander sah mich bestürzt an, daher fügte ich hinzu: »Es macht mir nichts aus. Ich denke schon lange nicht mehr daran, und da ich mich nicht an ihn erinnern kann, vermisse ich ihn auch nicht.«
Alexander schwieg. Er schien nicht recht zu wissen, wie er das Thema wechseln sollte.
Endlich sagte ich: »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Musikalischer Natur.«
Ob meiner Wortwahl mussten wir beide lächeln. Ich ließ die Gläser auf dem Teetisch stehen, und wir gingen ins Musikzimmer hinüber.
Alexander bedeutete mir, am Klavier Platz zu nehmen. »Geht es um die Etüden?«, erkundigte er sich.
Ich überlegte kurz, dann nickte ich. Es erschien mir ratsam, nicht jetzt schon auf die Ballade zu sprechen zu kommen.
»Die vierte aus Opus 10?« Er schlug das Notenbuch auf, das auf dem Instrument lag. »Sie sagten gestern Abend, sie würde Ihnen Schwierigkeiten bereiten.«
»Das ist noch untertrieben, fürchte ich.«
Er zog sich einen Stuhl heran und legte die Noten vor mich hin. »Zuerst würde ich gerne wissen, warum Sie die Stücke überhaupt spielen wollen.«
»Ich habe Chopin nie besonders gemocht«, erwiderte ich langsam. »Aber die Etüden haben mir schon immer gefallen. Vielleicht wegen ihrer akribischen Genauigkeit.«
»Was gerade auf diese besonders zutrifft.«
»Ich versuche schon seit Wochen, sie einzuüben, aber ich bin über die erste Seite nicht hinausgekommen.«
Er musterte mich forschend. »Sie ist schwierig, Eleanor, das gebe ich zu, aber das ist die letzte aus Opus 25 auch,
und die haben Sie gut gemeistert. Ich glaube, Ihr Problem ist mehr in Ihrer Psyche verankert. Nehmen Sie die richtige Haltung ein.« Ich richtete mich gehorsam auf der Bank auf, stellte den rechten Fuß auf das Fortepedal und stemmte den Absatz fest auf den Boden. »Und jetzt spielen Sie«, befahl er.
Ich
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