Die Straße nach Eden - The Other Eden
honigfarbenes Sonnenlicht in den Raum und ergoss sich über den Boden mit dem schwarzweiß gefliesten Marmorboden. Die Zwillinge, die dieselben Kleider wie auf dem Portrait und Blumen im langen, offenen Haar trugen, tanzten zu den Klängen des großen Klaviers und ihrem eigenen glücklichen Lachen einen ausgelassenen Walzer. Das Instrument
stand vor der Reihe von Türen, die zu dem Rosengarten führten. Der aufgeklappte Deckel und der Brokatvorhang verbargen den Pianisten, der den Walzer spielte.
Die Zwillinge wirbelten durch den sonnendurchfluteten Raum, bis sie sich endlich nach Atem ringend in der Mitte des Saals zu Boden fallen ließen. Elizabeth stützte sich auf die Arme, wandte das Gesicht der Sonne zu und blinzelte in das helle Licht. Eve streckte sich der Länge nach aus, legte den Kopf in den Schoß ihrer Schwester und begann die Blumen aus ihrem Haar zu zupfen, eine nach der anderen. Die Blütenblätter fielen auf ihr Mieder, den Boden und Elizabeths weißen Rock. Der Pianist spielte weiter. Die Schönheit der intimen Szene, die sich ganz in seiner Nähe abspielte, nahm er nicht wahr.
Dann löste Eve eine rosafarbene Rosenknospe aus ihren Locken und betrachtete sie einen Moment lang, ehe sie sich mit plötzlich ernst gewordenem Gesicht aufsetzte und sie ihrer Schwester hinhielt. Die Blicke der Zwillinge kreuzten sich, ihre Gesichter wirkten für einen Augenblick älter, der Ausdruck darauf vielschichtiger. Als Elizabeth die Knospe entgegennahm, trat eine Traurigkeit in ihre Augen, die nicht zu dem Rest der heiteren Szene oder der unbekümmerten Fröhlichkeit passen wollte, die ihr vorausgegangen war. Elizabeth hielt die Rose ein paar Sekunden in der Hand, wobei sie Eve eindringlich ansah, dann ließ sie sie ohne irgendeinen ersichtlichen Grund fallen. Die Blume schwebte sachte zu Boden, doch als sie ihn berührte, verschwand der sonnige Ballsaal plötzlich, und an seine Stelle trat der finstere Abgrund, mit dem mein letzter Traum von Eve geendet hatte. Dieselben bitteren Klagelaute erfüllten die Dunkelheit, schwollen an, erreichten ihren Gipfel, und dann herrschte nur noch Grabesstille.
Aus weiter Ferne drangen zwei weich geflüsterte Worte an mein Ohr. »Erinner dich.«
10. Kapitel
A ls Mary mich wachrüttelte, war es schon nach drei. »Geht es dir nicht gut, Eleanor? Ich habe schon einmal versucht, dich zu wecken, aber du hast fest geschlafen.«
Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. »Ich habe immer noch so seltsame Träume.«
»Von Eve?«
Ich schaute sie an, fürchtete weitere Vorhaltungen, aber dann sah ich, dass sie lächelte und versuchte, das Lächeln zu erwidern. »Ich fürchte, ja«, bekannte ich. Im selben Moment klingelte es an der Tür, dann wehte Taschas aufgeregtes Geplapper zu uns empor.
»Lass dir nur Zeit. Wir werden ein bisschen miteinander plaudern, bis du dich frisch gemacht hast.«
Sowie sie das Zimmer verlassen hatte, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich war blass, und unter meinen Augen lagen dunkle Ringe, als hätte ich tagelang nicht geschlafen. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht krank wurde; ich verspürte diese schwere Benommenheit, die oft einer Krankheit vorausgeht. Rasch wusch ich mir das Gesicht, zog eine andere Bluse an und kämmte mir die Haare. Danach fühlte ich mich besser, auch wenn ich nicht so aussah.
»Wie haben Sie den heutigen Tag verbracht?«, fragte Alexander mich, als ich in die Halle kam.
»Sehr angenehm.« Ich lächelte noch breiter, um die Lüge zu vertuschen. »Und Sie?«
»Wir hatten einen wunderschönen Tag«, antwortete Tascha an seiner Stelle und tanzte mit wehendem hellen Kleid
um mich herum. »Wir sind im Garten spazieren gegangen, und wir haben die Pferde angesehen, ich darf auf einem Pony reiten.«
Alexander hob die Brauen, woraufhin sie hastig hinzufügte: »Wenn Miss Rose und Mrs Mary es erlauben.«
»Natürlich darfst du das«, versprach ich ihr. »Dafür haben wir die Ponys ja gekauft. Wir können morgen früh zu ihnen gehen, wenn du möchtest. Und nenn mich doch bitte Eleanor.«
»Danke, Eleanor«, sagte die Kleine höflich, konnte aber ihrer überschäumenden Freude über die Aussicht auf einen Ausritt kaum Herr werden.
»Komm mit, Süße«, forderte Mary sie auf. »Colette hat extra für dich Plätzchen gebacken. Wir gehen in die Küche und probieren ein paar davon.« Tascha ließ ihre Hand vertrauensvoll in die Marys gleiten, und die beiden verschwanden in Richtung Küche.
»Sie belegt das Mädchen
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