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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Denken Sie an gar nichts, nur an die Musik in Ihrem Kopf.«
    Ich begann zu spielen, machte einen Fehler, dann noch einen und noch einen, bis ich entnervt die Hände in die Luft warf.
    »Sie haben doch an etwaige Fehler gedacht.«

    »Ich kann nichts dagegen tun.«
    Er trat zum Fenster und kehrte mir den Rücken zu. Ich stellte fest, dass ich der Linie seiner Schultern mehr Beachtung schenkte als seinen Worten. »Es ist eine Kettenreaktion«, erklärte er. »Sie machen einen Fehler, dann fangen Sie an, an den nächsten zu denken, der Ihnen unterlaufen wird, was dann dazu führt, dass es tatsächlich so kommt. Und bald verhaspeln Sie sich ständig und geraten völlig aus dem Konzept.«
    »Es ist so schwierig.«
    Als er sich wieder zu mir umdrehte, hatte ich einen Moment lang das Gefühl, er hätte vorübergehend vergessen, dass ich mich auch im Raum aufhielt. »Natürlich ist es schwierig. Etwas zu lernen ist immer schwierig. Aber deswegen darf man die Flinte nicht ins Korn werfen. Und jetzt versuchen Sie es noch einmal. Schließen Sie die Augen, wenn es Ihnen hilft, denken Sie nur an die Musik und nicht an mögliche Fehler.«
    Ich holte tief Atem, legte die Hände auf die Tasten, sah die Noten kurz an und blickte dann auf meine linke Hand hinab, die bei mir die schwächere war. Dann begann ich zögernd zu spielen; konzentrierte mich einzig und allein auf die Musik. Plötzlich hielt ich überrascht inne: Ich hatte die ganze erste Seite gespielt, zwar immer noch zu langsam, aber fehlerfrei.
    »Warum haben Sie aufgehört?«, fragte Alexander.
    »Sie haben Recht!«
    Er zuckte die Achseln. »Es ist ein gutes System. So, und jetzt…« Er nahm neben mir auf der Bank Platz. »Jetzt spiele ich linkshändig und Sie rechtshändig.«
    Wir begannen zu spielen, gerieten ab und zu ins Stolpern, lachten über unsere ungeschickte Koordination, hielten inne, wenn unsere Hände gegeneinanderprallten und begannen erneut, bis wir schließlich zu einem etwas zittrigen
Schlusspunkt gelangten. Wieder mussten wir lachen, verstummten aber abrupt, als plötzlich Applaus erklang. Wie Marionetten drehten wir uns beide zur Tür um.
    Einen Moment lang schien die Zeit stehen zu bleiben. Ich spürte, wie Alexander neben mir erstarrte. Dann begann der Mann auf der Türschwelle zu lachen. Ich versuchte ihm zuzulächeln, doch meine Gesichtsmuskeln waren wie versteinert.
    »Damit habe ich nicht gerechnet«, sagte der Mann mit klangvoller Stimme, in der der Hauch eines britischen Akzents mitschwang. »Auf eine so dramatische Weise hat noch niemand auf mein Erscheinen reagiert.« Er hatte bislang lässig am Türrahmen gelehnt. Jetzt straffte er sich und nahm seinen cremefarbenen Panamahut ab. Alexander erhob sich langsam, als er auf uns zutrat, und ich folgte seinem Beispiel.
    »Ich bin Dorian Ducoeur«, stellte sich der Fremde vor, nahm meine schlaffe Hand fest in die seine und zog sie an die Lippen. »Sie müssen Miss Rose sein.« Sein Blick wanderte zu Alexander. »Und Sie, Sir, kenne ich nicht, aber Ihre Unterweisungen eben gehörten zu den besten, die ich je gehört habe, und ich schmeichle mir, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein.«
    Alexander und ich wechselten einen raschen Blick. Ich hoffte, dass mir meine Bestürzung nicht ebenso klar und deutlich im Gesicht geschrieben stand wie ihm die seine.
    Mr Ducoeur sah uns an. Sein Lächeln verblasste, und er sagte: »Ich komme doch hoffentlich nicht ungelegen?«

11. Kapitel
    I ch kann mich nicht mehr erinnern, ob ich mir damals nach Erhalt des Briefes ein bestimmtes Bild von Dorian Ducoeur gemacht habe, ich weiß nur, dass der Mann selbst keiner meiner Vorstellungen entsprochen hätte. Zunächst war er weder jung noch alt, das hieß, er zählte zu der Gruppe der über Fünfundreißig- und unter Fünfzigjährigen, bei denen man das tatsächliche Alter schwer bestimmen konnte. Er hatte ebenmäßige europäische Züge, ordentlich geschnittenes, graublondes Haar und Augen, die sogar hinter seiner Brille mit dem Drahtgestell fast unnatürlich blau leuchteten. Seine Kleidung war teuer und gut geschnitten. Er trug einen naturfarbenen Leinenanzug und ein weißes Hemd, hatte sich ein rotes Seidentuch um den Hals geschlungen, und über seinem Arm lag ein grauer Regenmantel.
    Sein Anblick war angenehm für das Auge - unaufdringlich in seinen neutralen Farben, bis auf das Halstuch und seine Augen, deren strahlendem Blau man sich nur schwer entziehen konnte. Doch obwohl diese Augen hell und wach blickten, wirkten

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