Die Straße nach Eden - The Other Eden
wo sie Tee tranken und angeregt miteinander plauderten.
»Oh, Eleanor!« Mary zog einen weiteren Stuhl heran. »Mr Ducoeur erzählt gerade Geschichten über deinen Großvater.«
»Ich wusste nicht, dass Sie ihn so gut kannten«, unterbrach ich gereizt. Alexanders Reaktion auf Dorian beunruhigte mich stärker, als ich zugeben mochte.
Er sah mich an und bedachte mich mit einem breiten Lächeln. Wieder fiel mir auf, wie ungewöhnlich hell seine Augen leuchteten. »Er war hier in der Gegend eine bekannte Persönlichkeit«, erwiderte er. »So wie jeder Yankee. Sie sind ja selbst zum Gegenstand zahlreicher Gerüchte und Spekulationen der Leute hier geworden.«
»Wir? Warum das denn?« Mary war seinem Charme offensichtlich schon erlegen.
»Weil es selten ist, dass Yankees den Reizen des schönen Südens verfallen. Ferner sind Sie beide musikalisch sehr begabt, und dazu kommt, dass Sie scheinbar keinen Kontakt zu der hiesigen Bevölkerung suchen. Das nagt an den Menschen hier und reizt ihre Neugier.«
»Ach herrjeh«, entfuhr es Mary. »Ich weiß, wir hätten schon längst einen Ball oder eine Gesellschaft veranstalten sollen, aber wir waren so mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, dass wir gar nicht dazu gekommen sind.«
»Zerbrechen Sie sich deswegen nur nicht den Kopf«, beruhigte Dorian sie. »Ich denke doch, dass Sie auf die Gesellschaft von Leuten, die es Ihnen verübeln, dass Sie vorerst für sich bleiben möchten, dankend verzichten können. Aber ich sehe, dass Miss Rose mit ihren Gedanken meilenweit weg ist.« Er zwinkerte Mary zu. »Meinen Sie, ich kann sie dazu bewegen, uns an ihnen teilhaben zu lassen?«
Mary zuckte lachend die Achseln. »Versuchen können Sie es ja, aber bislang ist es noch niemandem gelungen, Eleanor dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie nicht will.«
Ich funkelte sie finster an, erwiderte aber trotzdem: »Ich frage mich gerade, ob Mr Ducoeur, der so viel über unsere Familie zu wissen scheint, uns etwas über einen gewissen
Louis Ducoeur erzählen kann. Er muss ein Cousin von Ihnen sein«, wandte ich mich an Dorian.
Dieser überlegte einen Moment, bevor er antwortete: »Ich glaube, Louis wuchs in Europa auf. Das würde erklären, warum wir uns nie persönlich kennen gelernt haben. Aber ich bin sicher, seinen Namen in Verbindung mit einem der Fairfax-Zwillinge gehört zu haben, nur weiß ich nicht, mit welchem. Ich meine mich zu erinnern, dass er vor Jahren mit einem der beiden Mädchen verlobt gewesen sein soll.«
»Wirklich?« Ich bemühte mich, nicht allzu erpicht darauf zu erscheinen, mehr zu hören.
»Ja, aber ich nehme an, es wurde nichts daraus, sonst müsste ich mehr darüber wissen.«
»Möglich. Aber ich weiß auch nicht viel über meine Tante … geschweige denn über meine Mutter.«
Dorian hob die Schultern. »Es tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann Ihnen da auch nicht weiterhelfen.«
»Vielleicht können Sie mich dann über das Haus auf dem Hügel dort drüben aufklären.« Ich deutete in die entsprechende Richtung.
Sein Lächeln verblasste. »Was wissen Sie über dieses Haus?«, fragte er.
»Nur das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe.«
»Ich hoffe, Sie waren nicht ganz allein da oben«, fuhr er auf, dann fügte er hastig hinzu: »Man weiß nie, was für Gefahren da lauern.«
»Mr Ducoeur«, erwiderte ich in meinem besten nüchternen Yankee-Tonfall, »ich bin jetzt die Besitzerin dieser Plantage. Wenn es etwas gibt, was ich über dieses Haus wissen sollte, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es mir sagen würden.«
»Einzelheiten sind mir nicht bekannt«, entgegnete er nachdenklich. »Aber es würde mich nicht wundern, wenn
sich dort unglückliche Begebenheiten zugetragen hätten.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Er seufzte. »Haben Sie schon einmal von dem Fluch der Fontaines gehört?«
»Nein, aber es klingt interessant.«
»Dann setzen Sie sich. Ich erzähle Ihnen die Geschichte.«
Er deutete auf den freien Stuhl zwischen sich und Mary, doch ich zog es vor, mich auf der Balustrade niederzulassen. Er betrachtete das schmelzende Eis in seinem Glas einen Moment lang gedankenverloren, ehe er zu sprechen begann.
»Es ist eine alte Geschichte«, begann er. »Fast schon ein Klischee, obgleich derlei Dinge häufig vorkommen, wenn zwei mächtige Familien in unmittelbarer Nähe zueinander leben.
Die unsere kam aus Frankreich hierher; damals, als Louisiana fast noch ein Dschungel, Französisch die offzielle Landessprache und Voodoo die vorherrschende
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