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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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»Sie sind auf Eden’s Meadow selbstverständlich jederzeit willkommen.«
    Dorian nahm mein offenkundiges Unbehagen mit einer unterschwelligen Belustigung zur Kenntnis, die meinen Zorn erneut aufflammen ließ. »Mary«, sagte ich eisig, ohne den Blick von ihm abzuwenden, »würdest du Mr Ducoeur bitte zur Tür bringen?«
    »Machen Sie sich keine Umstände, ich finde allein hinaus.« Dorian küsste ihr die Hand. »Auf Wiedersehen, Mrs Bishop, und danke für den Tee.« Dann ergriff er meine Hand, die er jedoch zu meinem heimlichen Ingrimm nur flüchtig drückte. »Und Ihnen, Miss Rose, danke ich dafür,
dass Sie mein Geschwafel über sich ergehen lassen haben. Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu sehr gelangweilt.«
    »Im Gegenteil, ich fand es ausgesprochen interessant. Ich hoffe, dass wir uns bald wieder einmal so angeregt unterhalten werden.«
    Diese Antwort schien ihn auf eigentümliche Weise zufrieden zu stellen. Er gab meine Hand frei, verabschiedete sich und verließ das Haus.

12. Kapitel
    D ie Wolkendecke riss weder an diesem noch am nächsten Tag auf. Alexander ließ sich nicht mehr blicken, und als der zweite Abend verstrich, ohne dass er etwas von sich hatte hören lassen, begann ich zu befürchten, ihn unwissentlich gekränkt zu haben. Das belastete mich so stark, dass ich beim Essen keine angenehme Gesellschaft für die arme Mary war und später im Musikzimmer völlig versagte.
    Der endlich einsetzende Regen war eine willkommene Abwechslung. Er kam bei Einbruch der Dämmerung; erst klatschten ein paar schwere Tropfen gegen die Scheiben, Vorboten des Platzregens, der kurz darauf folgte. Mary und ich sahen vom Musikzimmer aus zu, wie der See, der Zypressenhain und endlich auch die Gärten hinter einer dunklen Wasserwand verschwanden. Es war ein Naturschauspiel, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte.
    Eine Stunde nach dem Essen ging Mary zu Bett, doch mich hatte mit dem Wetterumschwung eine seltsame innere Unruhe überkommen. Ich saß mit der festen Absicht, meine vernachlässigten Übungen endlich wieder aufzunehmen, bis spät in die Nacht am Klavier. Meine Finger glitten über die Tasten, während meine Gedanken sich in einem Labyrinth aus verwunschenen Räumen und Gärten verloren.
    Von dort wanderten sie zu Alexander. Je länger ich über die Ereignisse des Vortages nachdachte, desto sicherer war ich mir, ihn irgendwie vor den Kopf gestoßen zu haben. Endlich blieben meine Hände reglos auf den Tasten liegen. Ich saß da, sah zu, wie der Regen bizarre Muster an
die Scheiben malte und lauschte seinem monotonen Plätschern. Endlich erhob ich mich und klappte den Deckel des Instruments zu. Ehe ich dazu kam, über mein Tun nachzudenken, stand ich auch schon in der Küche, wo ich fröstelnd Marys Regenmantel über mein dünnes Kleid zog und dann in die nasse Dunkelheit hinaustrat. Ich hatte eine verschwommene Vorstellung von der Unschicklichkeit meines Verhaltens; davon, was andere Leute von mir halten würden, was ich selbst in der Welt, die ich hinter mir gelassen hatte, von mir gehalten hätte. Meine einzige Erklärung - damals wie heute - lautet schlichtweg: Ich hatte meine frühere Welt hinter mir zurückgelassen. Um Mitternacht eine halbe Meile durch strömenden Regen zu laufen, um einen Mann zu besuchen, der doppelt so alt war wie ich und den ich überdies kaum kannte - das wäre noch vor sechs Monaten unvorstellbar gewesen.
    Vorsichtig tastete ich mich den Pfad und die Stufen des Hügelgartens hinunter, seufzte dankbar auf, als meine Finger endlich das raue Holzgeländer berührten, das rund um den See herum verlief, und folgte dem Wasserrand bis zum Waldessaum.
    Kurz bevor ich den Wald erreichte wurden die Wolkenschichten kurz dünner. Einen Moment lang beleuchtete der trübe Schein des Mondes die Regenschwaden, und mich überkam das verwirrende Gefühl, die Wasserfäden würden wie dünne Nabelschnüre vom See aufsteigen und die angeschwollenen Wolken nähren, statt vom Himmel herabzufallen. Erschauernd kehrte ich dem regenverhangenen Wasser den Rücken zu und drang in den triefenden Wald vor.
    Dort, im stillen Dunkel, versuchte ich, nicht auf die vibrierende Macht der Baumwurzeln im Erdreich tief unter mir und auf die glitschigen Liebkosungen unsichtbarer Ranken zu achten, die über mein Gesicht und meinen Hals strichen. Die Luft war stickig und von süßlich-fauligem
Blütenduft erfüllt. Überwältigende Erleichterung durchströmte mich, als ich endlich Licht zwischen den Bäumen aufblitzen

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