Die Straße nach Eden - The Other Eden
unwiderruflich verändert hatte.
Ich schluckte hart, weil ich fürchtete, meine Stimme könne mir ihren Dienst versagen. »Alexander, ich…«
»Nicht«, unterbrach er weich und gab meine Hand wieder frei. »Du fängst noch nicht einmal ansatzweise an, mich zu verstehen, auch wenn du das vielleicht denkst.« Er schuf wieder Abstand zwischen uns, baute eine unsichtbare Mauer auf, die ich nicht überwinden konnte.
»Vielleicht nicht«, stieß ich verzweifelt hervor. »Aber ich kenne dich, Alexander.« Die Tränen, die ich so mühsam unterdrückt hatte, brannten noch immer gefährlich nah unter der Oberfläche. »Du warst mir vom ersten Moment an vertraut, als ich dich sah. Und dir ging es genauso, das kannst du nicht leugnen!« Der letzte Satz glich mehr einer flehenden Bitte als einer nüchternen Feststellung, aber ich konnte ihn nicht mehr zurücknehmen.
Alexander betrachtete mich eine Weile, dann wandte er sich ab und ließ langsam, wie in tiefer Resignation gefangen, die Hände sinken. Unausgesprochene Worte, die mir nicht über die Lippen kommen wollten, würgten mich in der Kehle. Meine Gedanken überschlugen sich. Hier lag ein Missverständnis vor, ein furchtbares Missverständnis. Ich sprang auf und kehrte ihm den Rücken zu, weil ich die Tränen nicht länger zurückhalten konnte und nicht wollte, dass er mich weinen sah. Schließlich hatte er mir nie irgendwelche Versprechen gemacht, nie durchblicken lassen, dass er meine Gefühle erwiderte.
»Es tut mir leid«, krächzte ich, als ich tränenblind auf die Tür zustolperte. Ich wurde nur noch von dem Wunsch beherrscht, mich in die tröstliche Stille des Waldes zu flüchten, aber ich hatte den an das Arbeitszimmer angrenzenden
Wohnraum kaum zur Hälfte durchquert, als Alexander mich einholte. Seine Finger schlossen sich fest um mein Handgelenk.
»Eleanor«, flüsterte er mit unüberhörbarer Zärtlichkeit in der Stimme, streckte die andere Hand aus und drehte mein Gesicht zu dem seinen, und was ich jetzt in seinen Augen las, war von Gleichgültigkeit oder Zynismus meilenweit entfernt.
»Es gibt viele Facetten meiner Persönlichkeit, von denen du nichts ahnen kannst«, begann er leise. »Du hast mich heute Abend spielen gehört, und mein Spiel hat dir Angst eingejagt. Du brauchst es nicht abzustreiten, ich weiß, dass es so ist, und was du gehört hast, war nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was dich noch erwarten würde.« Er seufzte. »Es steht mir nicht zu, dir irgendwelche Ratschläge zu erteilen, aber mein Gewissen gebietet mir, dich zu bitten, jetzt zu gehen und nicht mehr zurückzukommen. Du verdienst etwas Besseres als das, was ich dir geben kann.«
»Warum hast du mich dann eben zurückgehalten, als ich gehen wollte?«
Meine Worte verklangen im Prasseln des Regens. Stille trat ein. Als Alexander endlich den Kopf hob, schimmerten seine Augen so unergründlich wie der Nachthimmel, und ich meinte, einen Anflug von tiefem Bedauern darin zu lesen.
»Weil«, erwiderte er nahezu unhörbar, »ich dich liebe, wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe.«
Die Worte schienen nicht jetzt und hier gefallen zu sein, sondern in einer fernen Vergangenheit. Ich nahm seine Hände in die meinen, und als sie sich berührten, flackerten neue Bilder vor mir auf: ein Feuer, das den Nachthimmel rötlich verfärbte, das bleiche Gesicht einer Frau mit einer quer über die Wange verlaufenden klaffenden roten Wunde, herzzerreißendes Schluchzen. Sie erloschen so
rasch wieder, dass ich sie mir nicht richtig einprägen konnte, doch was ich als Nächstes sagte, schien sowohl eine Antwort auf diese Vision wie auch auf Alexanders Geständnis zu sein.
»Wenn du mich liebst«, bat ich mit einer Stimme, die nicht mir selbst zu gehören schien, »dann schick mich nie wieder weg. Sprich nie wieder davon, dass wir uns trennen sollen.«
Alexander sah mich lange an, murmelte etwas auf Russisch und dann auf Englisch: »Nein. Nie wieder.«
Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass von einem Moment zum anderen tiefe Stille eingetreten war. Der Regen hatte so plötzlich aufgehört, wie er eingesetzt hatte. Kein Insektengesumme oder Vogelgezwitscher war zu hören, kein Windhauch, nichts. Nur unsere Kleider raschelten leise, als wir uns aus unserer Erstarrung lösten, Alexander die Arme um mich legte und sich zu mir beugte, um mich zu küssen.
13. Kapitel
I ch will keine moralischen Vorbehalte vortäuschen. Meine Gefühle für Alexander gingen so tief, dass ich mich ihm noch in
Weitere Kostenlose Bücher