Die Straße nach Eden - The Other Eden
verhängnisvollen Hang.«
Meine Lippen verzogen sich zu einem leisen Lächeln. »Sind Sie jetzt fertig? Ich bin nämlich aus einem ganz anderen Grund hier.«
Sichtliche Verlegenheit malte sich auf seinem Gesicht ab. »Sie sind nicht wegen des peinlichen Vorfalls gestern gekommen? Mir scheint, da habe ich schon wieder voreilige Schlüsse gezogen. Aber ich muss Ihnen ein Geständnis machen, Eleanor.«
»Ein Geständnis?«, wiederholte ich verwirrt.
»Ja. Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen.« Als ich nichts darauf erwiderte, weil ich keinen klaren Gedanken mehr zu fassen vermochte, fuhr er mit gedämpfter Stimme fort: »Ich habe mich von meiner Eifersucht leiten lassen. Ich brauchte Dorian Ducoeur ja nur anzusehen, um sofort zu erkennen, welche Wirkung dieser Mann auf Frauen ausübt, und ich konnte nicht anders,
ich habe mir unwillkürlich vorgestellt, wie Sie wohl auf ihn reagieren. Ich habe mich in den letzten beiden Tagen von Ihnen ferngehalten, weil ich Sie nicht bewusst gegen ihn einnehmen wollte. Sie schienen mir recht angetan von ihm zu sein.«
Ich musste ein leises Lachen unterdrücken. »Haben Sie befürchtet, ich könnte mein Herz an ihn verlieren? Keine Sorge, diese Gefahr besteht wirklich nicht.«
Alexander musterte mich nachdenklich. Er schien einen Moment mit sich zu ringen, dann sagte er: »Ich hoffe, Sie sehen es mir nach, aber ich muss gestehen, dass ich diesem Mann immer noch nicht über den Weg traue.«
Ich blickte auf meine Hände hinab. »Vermutlich ziemt es sich nicht, so etwas laut auszusprechen, aber Ihre Eifersucht schmeichelt mir.«
»Das werte ich wiederum als Kompliment.« Wir sahen uns an, dann brachen wir beide in Gelächter aus, und die Spannung zwischen uns verflog. Zum ersten Mal seit Tagen war mir wieder leichter ums Herz. Alexander lehnte sich zurück und blickte zu den an der Decke tanzenden Schatten empor. »Erzählen Sie mir, was Sie von Dorian Ducoeur wissen.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er ist Musiklehrer und Erbe einer Nachbarplantage von Eden’s Meadow. Und für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr von sich selbst eingenommen.«
Alexander seufzte. »Endlich sind wir einmal einer Meinung.«
»Aber er hat Mary und mir eine sehr interessante Geschichte erzählt.«
»Was für eine Geschichte?«
Ich begann, Dorians Worte wiederzugeben, stockend erst, dann immer flüssiger. Hier im Dämmerlicht, inmitten der wabernden Schatten klang alles noch unheimlicher.
Als ich geendet hatte, bemerkte Alexander: »Ein hübsches Geistermärchen, das er Ihnen da aufgetischt hat.«
»Schon möglich. Aber ich habe so ein Gefühl, dass da mehr dahinterstecken könnte.«
»Wie meinen Sie das?« Sein Gesicht blieb unbewegt, und ein Schleier legte sich vor seine Augen. Verunsichert senkte ich den Blick, zwang mich aber weiterzusprechen.
»All das, was in den letzten Tagen geschehen ist … das können doch nicht nur Zufälle sein. Ich komme mir vor, als wären uns in irgendeinem geheimnisvollen Spiel bestimmte Rollen zugeteilt worden, und zugleich werde ich das Gefühl nicht los, dass dieses Spiel bereits vorüber und entschieden ist. Dass wir über die Ereignisse, in die wir verstrickt sind, keinerlei Kontrolle haben.«
Alexander schwieg lange Zeit, dann sagte er unverhofft: »Ich würde das Haus auf dem Hügel gern sehen.«
Ich schüttelte den Kopf, dabei merkte ich zu meiner Verwunderung, dass mir Tränen in die Augen zu treten drohten. Ich konnte nur an diese liebliche Melodie denken, die durch die dämmrigen Korridore und das spiralförmige Treppenhaus zu mir emporgeweht war. Alexander schien zu spüren, was in mir vorging, denn er beugte sich plötzlich vor und nahm meine Hand in die seine. Ein Teil von mir fragte sich benommen, wie wir uns in so kurzer Zeit so nah hatten kommen können, wohingegen ein anderer Teil dies ganz natürlich, gut und richtig fand.
Ich schloss die Augen. Eine schwere Bürde schien von mir abzufallen. Als ich Alexander wieder ansah, glomm ein seltsames Licht in seinen dunklen Augen auf. Mir wurde mit einem Mal klar, dass ich nichts vor ihm verbergen konnte, nie etwas vor ihm hatte verbergen können, dass er mich besser verstand als ich mich selbst. In diesem Moment erkannte ich, dass ich ihn liebte. Wieder musste ich an jenen Abend im Konzertsaal denken, als ich ihn zum
ersten Mal gesehen und sogleich begriffen hatte, dass er mit Gaben gesegnet war, die die Zuhörermenge nie erfassen würde und dass seine Musik mein Leben
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