Die Straße nach Eden - The Other Eden
plötzlich zu erstarren, wandte sich ab und ging raschen Schrittes auf sein Cottage zu. Dorian sah ihm nach, und obwohl er zu weit von mir entfernt stand, als dass ich mir meiner Sache ganz sicher sein konnte, hätte ich schwören können, dass ein leises Lächeln um seine Lippen spielte. Seufzend begann ich mich gleichfalls anzukleiden.
Der Tag war kühler als die bisherigen Sommertage, trotzdem setzten mir die Nachwirkungen des Chloralhydrats schwerer zu als die erdrückendste Hitze. Als ich das Esszimmer betrat, wartete Mary dort auf mich und betrachtete mich mit einem so tadelnden Blick, dass ich am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht hätte und wieder nach oben geflüchtet wäre.
Doch ich bezwang mich, nippte an dem Kaffee, den sie mir eingoss, und schob die Tasse dann weg.
»Isst du neuerdings überhaupt nichts mehr, Eleanor?«
Sie wirkte merkwürdig angespannt und wachsam, wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich sogar so weit gegangen zu behaupten, Argwohn in ihren Augen zu lesen.
»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte ich.
»Dorian ist gerade eben gegangen.«
Ich seufzte. »Ich weiß.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Und du hast es nicht für nötig befunden, herunterzukommen und ihn zu fragen, ob er letzte Nacht gut nach Hause gekommen ist? Ich muss schon sagen, Eleanor - wie konntest du ihn bei diesem Wetter nur gehen lassen?«
»Alexander hat hier übernachtet.«
Ein ungläubiger Ausdruck trat auf Marys Gesicht. »Alexander?«
»Er ist gestern Abend zurückgekommen.«
»Das muss wohl Liebe sein, schätze ich.«
Die Erwähnung von Alexander schien Mary beschwichtigt zu haben. Ich vermutete, dass er sie mit seinem Charme ebenso bezaubert hatte wie Dorian. Jetzt hätte ich ihr eigentlich von unserer Verlobung erzählen sollen, das wusste ich, doch nach ihrer scharfen Zurechtweisung eben erschien mir der Moment dazu unpassend.
Also fragte ich stattdessen: »Was wollte Dorian denn hier?«
Mary reichte mir einen Bogen Papier, der neben ihrem Frühstücksteller gelegen hatte. »Dir das hier bringen. Die Gästeliste für den Kostümball.«
»Er will also tatsächlich an dieser verrückten Idee festhalten?«
»Wie meinst du das?« Ihre Augen begannen ärgerlich zu funkeln. »Du warst doch damit einverstanden, Eleanor.«
»Entschuldige, Mary. Ich fühle mich heute Morgen nicht sonderlich wohl. Achte einfach nicht auf das, was ich sage.«
Sie musterte mich besorgt; forschte in meinem Gesicht nach möglichen Ursachen für mein Unwohlsein. Jetzt war ich sicher, Misstrauen in ihrem Blick zu erkennen, obwohl sie es nach Kräften zu verbergen suchte. »Hast du nicht gut geschlafen?«
»Nicht besonders. Das muss an der Hitze liegen«, entgegnete ich.
»Hast du wieder Albträume gehabt?« Sie stellte diese Frage so behutsam, als habe sie lange darüber nachgedacht, wollte aber nicht, dass ich es merkte.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Davon bin ich Gott sei Dank verschont geblieben.«
»Nimmst du denn wenigstens deine Medizin?«
»Danach fühle ich mich immer noch elender, als wenn ich überhaupt kein Auge zugetan hätte.«
»Eleanor…« Ihre Stimme wurde plötzlich weicher. Das Blut, das ihr in die Wangen stieg, verriet mir, was sie dachte.
Um sie nicht in die Verlegenheit zu bringen, mich geradeheraus fragen zu müssen, beruhigte ich sie: »Keine Sorge, Mary. Ich bin nicht in … in diesem Zustand, falls du das meinst.«
Sie hob den Kopf. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich. »Ich will dich ja nicht aushorchen, aber…«
»Es ist verständlich, dass du dir Gedanken machst«, versicherte ich ihr.
Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Eleanor, ich wollte ohnehin mit dir über Alexander sprechen. Über die Art deiner … Beziehung zu ihm.«
Ich spürte, wie ich unwillkürlich in Verteidigungsstellung ging und ermahnte mich, dass dieses Gespräch eigentlich längst überfällig war. Trotzdem verspürte ich jetzt nicht mehr die geringste Lust, das Thema Alexander mit ihr zu erörtern.
Mary blickte mit einem peinlich berührten Lächeln auf ihre Hände hinab. »Eleanor, du weißt, dass ich keine altmodischen und engstirnigen Ansichten vertrete, und mir ist durchaus klar, wie … nun, wie weit eure Beziehung gediehen ist.«
»Mary…«, begann ich, doch sie sprach schon weiter.
»Alexander scheint mir nicht der Typ Mann zu sein, der dich im Stich lässt, wenn du in Schwierigkeiten gerätst, deswegen habe ich gegen eure Affäre auch nichts einzuwenden.«
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