Die Strasse ohne Ende
und übertrugen.
»Haben Sie die Mikroskope klar?« fragte Dr. Handrick gedämpft.
»Ja.«
»Mischen Sie drei Teile Terramycin mit fünf Teilen Aureomycin unter Zusatz von zwei Teilen Sulfonamid.«
»Warum Sulfonamid?« Der arabische Arzt schüttelte den Kopf.
Dr. Handrick sah nicht auf; er betrachtete seine Blutplättchen auf den Glasscheiben und wölbte etwas die Unterlippe vor. »Wäre es nicht möglich, daß es sich bei dem unbekannten Erreger um Bakterien handelt, die man durch die Zerstörung des Bakterienvitamins unschädlich machen kann? Vielleicht war unser bisheriger Weg falsch. Versuchen wir es jetzt mit Paravitaminen.«
»Versuchen wir es.« Der junge Arzt nahm eines der Glasplättchen, die ihm Dr. Handrick reichte, und schob es auf den Objekttisch des Mikroskops. Der Lichtspiegel warf den Blutfleck in die Linse.
Stille lag zwischen den beiden Ärzten.
Nur ab und zu klapperte ein Reagenzglas, klirrte ein Kolben, scharrte ein Fuß. Von der Straße drängte sich der Schrei eines Händlers durch die geschlossenen Fenster. Er verkaufte Nüsse und schrie sie mit greller Stimme aus.
Ein Bleistift knirschte über das Papier.
Immer, wenn eine Hand, überspannt von einer dünnen Gummihaut, einer anderen Hand die kleinen, schmalen Glasscheiben gab.
Und er knirschte immer das gleiche Wort.
O.B. Ohne Befund!
Stundenlang. Bis tief in den Mittag hinein.
Es fiel kein Wort zwischen den Ärzten; jeder von ihnen hatte Angst, etwas zu sagen, weil man aus der Stimme die Bitterkeit der Enttäuschung hören mußte.
An diesem Abend wartete Jacqueline Dumêle im Zimmer auf Dr. Handrick.
Als er aus dem Labor zurückkam, niedergeschlagen, traurig, fast verzweifelt über die Mißerfolge, die nicht mehr abrissen, kochte sie ihm eine Tasse Kaffee und servierte sie ihm auf der Veranda. Er sah in die blauschwarze Flüssigkeit und stützte den müden Kopf in die Hände.
»O.B.«, sagte er leise.
»Ich weiß es, Paul.« Sie setzte sich auf die Lehne des Korbsessels und legte den Arm um seinen Hals. Ihr Kopf ruhte an seiner Wange. »Einmal wirst du es finden«, sagte sie voller Zuversicht.
Er hob resignierend die Schultern und trank in kleinen Zügen den Kaffee. »Es ist gut, daß du wenigstens da bist, Jacqueline«, sagte er leise und streichelte ihre Hand, die auf seiner Schulter lag.
Es hatte sich manches geändert in diesen Wochen.
Als Dr. Handrick nach seinem großen Wüstenzug in Laghouat eintraf, fand er – wie in Biskra – ein fertiges Labor vor, in dem Jacqueline saß und ihn jubelnd begrüßte.
Chefarzt Dr. van Behl lächelte väterlich und klopfte Handrick auf die Schulter. »Wenn Sie auf der ganzen Linie Pech hatten«, sagte er ehrlich, »zu diesem Mädchen beglückwünsche ich Sie.«
Es war ein billiger Trost für Dr. Handrick. In der Wüste war man feindlich gewesen und hatte die Kranken seinen Untersuchungen einfach entzogen. Von Hilde Sievert hatte er nicht eine Spur entdeckt und sich damit abgefunden, sie nie wiederzusehen. Er schrieb sie ab, so schrecklich es war, er verwahrte ihr Bild als eine schöne Erinnerung und wandte sich dem Leben zu, das an seiner Seite vorwärtsschritt.
An einem Abend, an dem er unter einem Malvenstrauch saß und in den klaren Sternenhimmel sah, hatte er Jacqueline in seine Arme genommen und geküßt. Wortlos geküßt, ohne Erklärung, und sie ließ sich küssen, sie küßte ihn wieder mit der aufgespeicherten Glut ihrer Liebe und fragte nicht. Sie verstand ihn. Enttäuschung und Flucht vor dem Gestern, Hoffnung und Frage lagen in seinem Kuß.
Mit diesem Abend war ihr Leben anders geworden. Sie fühlte sich mit ihm verbunden, sie nahm teil an allem, was ihn angriff und ausfüllte. Sie war immer um ihn, mehr noch als in Biskra, und sie gliederte sich in sein Leben ein, als habe sie gar nichts anderes gekannt, als an seiner Seite zu sein.
Nur im stillen war die Angst um sie, die Angst, Hilde Sievert könnte wieder auftauchen. Sie wußte, daß dann der Traum ihres Glückes zerbrach, daß alles, was sie für Handrick tat, umsonst gewesen war. Sie wußte, daß sie ihn nur äußerlich beherrschte.
Doch Jacqueline genügte das. Sie hielt es fest, sie klammerte sich an die Liebe, die Dr. Handrick ihr gab, und trank seine Zärtlichkeit mit dem Durst eines Menschen, der weiß, daß dieser Brunnen einmal versiegen muß.
Dr. Handrick sah in den Garten hinaus und rührte in der Tasse Kaffee. Er war nervös, erschüttert über den Widerstand der Krankheit und bis zur
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