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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich bin eine Deutsche und wurde an die Araber verkauft! Rettet mich sofort!«
    Dann versteckte sie den Zettel, vielfach zusammengefaltet, in die silberne Büchse, die Bobo noch immer an dem Halsband unter dem Kinn trug. Sie streichelte dabei sein Gesicht, die Augen mit den dicken Wülsten, die breite Schnauze und kraulte ihm das Fell über der Brust. In der Nacht drückte sie ihn wieder durch die Gitterstäbe in den Garten und zeigte auf die Schilfwand. »Lauf!« sagte sie leise. »Lauf, Bobo!«
    Bobo sah sie lange an. Er saß auf der Erde vor dem Fenster und rang die kleinen Hände. Dann schnellte er weg, erklomm die Palisade und hockte sich hier auf den Zaun. Noch einmal blickte er zu dem Fenster zurück, hinter dem seine Herrin stand. Er greinte leise und legte die Hand über die Nase. Jammern schüttelte seinen kleinen Körper. Doch gehorsam ließ er sich fallen und hüpfte durch die kalte Nacht von dem Haus weg, durch das hohe Gras und die Steine dem in der Ferne liegenden Massiv des Atlas entgegen.
    Bevor das Haus in der Dunkelheit versank, sah er sich das letzte Mal um. Mit den Fäusten trommelte er auf seine Brust und schrie kläglich. Dann rannte er in langen Sätzen durch die Nacht davon. Die Metallbüchse unter seinem Kinn klirrte leise.
    Dr. Paul Handrick saß vor einem langen Tisch mit Präparaten. In kleinen Glasschüsseln, in langen Reihenständern mit Reagenzgläsern, in Retorten und Erlemeierkolben lagen flache Schichten einer dunklen roten Flüssigkeit.
    Blut.
    Das Militärkrankenhaus von Laghouat ist eines der modernsten Institute im ganzen Süden der Sahara. Weiß, einstöckig zieht es sich in langgestreckten Bauten mit großen Glasfenstern und nach innen gebauten Balkonen auf einem Hügel hin, umgeben von einem üppigen Park und weiten Hecken und Blumenbeeten. Eine gepflasterte Auffahrt führt zu dem großen Eingangstor, vor dem stets eine Wache steht. Es ist eines der seltenen Krankenhäuser Nordafrikas, in das auch der Eingeborene geht, weil es getrennte Stationen, besonders in der Inneren und der Infektionsabteilung, mit einheimischen Ärzten gibt, jungen, klugen, in Europa ausgebildeten Arabern oder Ägyptern, die ihren ärztlichen Dienst als Assistenten gewissenhaft und mit den neuesten Methoden vertraut versehen. Sie sitzen zwar in den freien Stunden mit den europäischen Ärzten in der Arztmesse und essen zusammen an einem großen Tisch unter Vorsitz des Chefs, des Oberarztes Dr. van Behl, aber man spürt doch die unsichtbare Kluft, die zwischen den Ärzten herrscht.
    In dieser Atmosphäre kühler Kollegialität fühlte sich Dr. Handrick nicht wohl. Er hatte mit drei arabischen Ärzten Fühlung genommen und ihnen von seinen Versuchen erzählt, und nun wiesen sie ihm trotz großer Bedenken Dr. van Behls laufend Ruhrfälle aus der eingeborenen Bevölkerung zu und überredeten ihre Landsleute, sich von dem weißen Hakim untersuchen und behandeln zu lassen. Voll Interesse standen sie neben Handrick an den Betten und beobachteten jeden Handgriff und jede Rezeptierung, standen bei ihm im Labor und drehten an dem Tubus der Mikroskope, wenn das verseuchte Blut im Lichtkreis erschien.
    In einer von dem großen Bau abgetrennten Isolierstation hatte Dr. Handrick vierzehn Ruhrfälle liegen. Die mit einem Militärflugzeug innerhalb drei Tagen aus Europa herangeschafften drei Kisten Bayer 205-Iatren standen in einem besonderen Raum, zu dem nur Dr. Handrick einen Schlüssel besaß. Er hatte das Schloß auswechseln lassen und überwachte an Hand einer Liste, die er immer bei sich trug, die Ausgabe der einzelnen Ampullen.
    Zehn der vierzehn Fälle waren hoffnungslos. Sie wurden eingeliefert, als die Krankheit das Blut bereits so weit zersetzt hatte, daß ein Aufhalten der Krankheit und eine langsame Regeneration des Blutes unmöglich war. So blieben diese Sterbenden, deren Tod qualvoll war, nur in der Klinik, um mit ihrem Blut den Weg in das Dunkel der Seuche zu weisen, einen Weg, der Dr. Handrick völlig unklar war und an dessen Auffinden er von Tag zu Tag mehr zweifelte.
    Die Sonne spielte durch die großen Fenster und beleuchtete die Schalen mit Blut.
    Es sah schwarz aus, sobald es geronnen war, dunkelrot, fast fettig, wenn es durch einen Antigerinnungsstoff für die Versuche haltbar gemacht worden war. Eine lange Reihe verschlossener Glasschalen mit wenigen Tropfen Blut auf einer hellen Nährlösung stand in einem durchsichtigen Brutschrank und wurde unter ständiger Körpertemperatur gehalten. In

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