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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Esszimmer gewesen war, stand ein großes Büffet aus Walnussholz. Türen und Schubladen waren verschwunden, aber der Rest war zu groß, als dass man ihn hätte verbrennen können. Sie standen in dem Durchgang. In einer Ecke des Zimmers türmte sich ein großer Haufen Kleider. Kleidungsstücke und Schuhe. Gürtel. Jacken. Decken und alte Schlafsäcke. Er würde später reichlich Zeit haben, darüber nachzudenken. Der Junge klammerte sich an seiner Hand fest. Er war völlig verängstigt. Sie gingen durch das Foyer zu dem Raum auf der anderen Seite, betraten ihn und blieben stehen. Ein großer Saal, die Decke doppelt so hoch wie die Türen. Ein Kamin, an dem die nackten Ziegelsteine bloßlagen, wo man den hölzernen Kaminsims und die Einfassung abgestemmt und verbrannt hatte. Auf dem Boden vor der Kammöffnung lagen Matratzen und Bettzeug. Papa, flüsterte der Junge. Pst, sagte er.
     
    Die Asche war kalt. Ein paar geschwärzte Töpfe standen herum. Er ging in die Hocke, nahm einen in die Hand, roch daran und stellte ihn zurück. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Graues, niedergetrampeltes Gras. Grauer Schnee. Die Kordel, die durch das Fenster kam, war an einer Messingglocke festgeknotet, und die Glocke war in einer primitiven Spannvorrichtung aus Holz befestigt, die man an den Fenstersturz genagelt hatte. Er hielt den Jungen bei der Hand, und sie gingen einen schmalen Flur entlang in die Küche. Überall Müllhaufen. Eine rostfleckige Spüle. Geruch nach Schimmel und Exkrementen. Sie gingen weiter in den angrenzenden kleinen Raum, vielleicht eine Speisekammer.
    In den Boden dieses Raums war eine Tür oder Luke eingelassen, die mit einem großen, aus geschichteten Stahlplatten bestehenden Vorhängeschloss gesichert war.
    Papa, sagte der Junge. Wir gehen lieber. Papa.
    Es gibt einen Grund dafür, warum das hier verschlossen ist.
    Der Junge zog an seiner Hand. Er war den Tränen nahe. Papa?, sagte er.
    Wir müssen essen.
    Ich habe keinen Hunger, Papa. Ich habe keinen Hunger.
    Wir müssen ein Stemmeisen oder so was finden.
     
    Sie schoben sich zur Hintertür hinaus, der Junge an ihn geklammert. Er steckte sich den Revolver in den Gürtel und ließ den Blick durch den Garten wandern. Es gab einen mit Ziegelsteinen befestigen Pfad und eine verkrümmte, drahtknäuel-artige Form, die einmal eine Buchsbaumhecke gewesen war. Im Garten selbst befand sich eine alte, auf Pfeilern aus gestapelten Ziegelsteinen aufgebockte Egge, und irgendwer hatte zwischen die Stangen des Rahmens einen zweihundert Liter fassenden, gusseisernen Kessel von der Art gezwängt, wie man sie früher verwendet hatte, um Schweinefett auszulassen. Darunter waren die Asche eines Feuers und geschwärzte Holzscheite. An einer Seite, etwas entfernt, ein kleiner Wagen mit Gummireifen. Das alles sah er, ohne es richtig wahrzunehmen. Am hinteren Ende des Gartens standen ein altes Räucherhaus aus Holz und ein Werkzeugschuppen. Das Kind mit sich zerrend, ging er hinüber und machte sich daran, die Werkzeuge durchzusehen, die in einem Fass unter dem Schuppendach standen. Er fand einen langstieligen Spaten und wog ihn in der Hand. Komm mit, sagte er.
    Ins Haus zurückgekehrt, hackte er auf das Holz um die Schließbandbefestigung ein, zwängte schließlich das Spatenblatt darunter und stemmte sie ab. Sie war mit Durchsteckschrauben am Holz befestigt, sodass sich die ganze Konstruktion samt Schloss löste. Er stieß das Spatenblatt unter die Kante der Luke, hielt inne und holte sein Feuerzeug aus der Tasche. Dann stellte er sich auf den Griffzapfen des Spatens, hob die Luke an, beugte sich vor und packte sie mit der Hand.
    Papa, flüsterte der Junge.
    Er hielt inne. Hör mir zu, sagte er. Lass das. Wir sind am Verhungern. Verstehst du? Dann hob er die Luke an, klappte sie nach hinten und legte sie auf den Boden.
    Warte einfach hier, sagte er.
    Ich gehe mit dir.
    Ich dachte, du hast Angst.
    Habe ich auch.
    Okay. Bleib einfach dicht hinter mir.
     
    Er ging ein paar Stufen der primitiven Holztreppe hinunter. Er zog den Kopf ein, zündete dann das Feuerzeug an und schwang die Flamme wie eine Opfergabe in die Dunkelheit hinaus. Kälte und Feuchtigkeit. Ein fürchterlicher Gestank. Der Junge klammerte sich an seiner Jacke fest. Er konnte ein Stück von einer Steinmauer sehen. Gestampfter Lehmboden. Eine alte, dunkel verfleckte Matratze. Er duckte sich, machte noch ein paar Schritte hinunter und hielt das Feuerzeug vor sich. An der hinteren Wand kauerten nackte

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