Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
Vom Netzwerk:
Scheune sehen. Jenseits der Bäume die Biegung einer Straße. Eine lange Zufahrt mit totem Gras. Toter Efeu entlang einer Steinmauer, ein Briefkasten, entlang der Straße ein Zaun und dahinter die toten Bäume. Kalt und still. In den grauschwarzen Nebel gehüllt. Er ging zurück und setzte sich neben den Jungen. Es war Verzweiflung gewesen, was ihn so unvorsichtig gemacht hatte, und er wusste, dass er das nicht noch einmal tun durfte. Unter keinen Umständen.
     
     
    Der Junge würde stundenlang nicht aufwachen. Doch wenn, wäre er außer sich vor Angst. Das war schon einmal passiert. Er überlegte, ob er ihn wecken sollte, wusste jedoch, dass er sich an nichts erinnern würde, wenn er es täte. Er hatte ihm beigebracht, wie ein Kitz im Wald zu liegen. Für wie lange? Am Ende zog er den Revolver aus dem Gürtel, legte ihn unter den Decken neben den Jungen, stand auf und machte sich auf den Weg.
     
    Er näherte sich der Scheune von dem danebenliegenden Hügel aus, auf dem er stehen blieb, um zu beobachten und zu lauschen. Der Weg nach unten führte durch die Überreste eines alten Apfelgartens, schwarze, knotige Stümpfe, totes, bis zu den Knien reichendes Gras. Im Scheunentor blieb er stehen und lauschte. Fahles, geschlitztes Licht. Er ging an den staubigen Boxen entlang. In der Mitte der Banse blieb er stehen und lauschte, aber es war nichts zu hören. Er stieg die Leiter zum Heuboden hinauf und war sich angesichts seiner Schwäche nicht sicher, ob er es bis nach oben schaffen würde. Er ging bis ans Ende des Heubodens und blickte durch das hohe Giebelfenster hinaus auf die Landschaft darunter, das parzellierte, tote und graue Land, den Zaun, die Straße.
     
     
    Auf dem Boden lagen Heuballen, und er ging in die Hocke, las eine Handvoll Samen aus und kaute sie. Hart, trocken und staubig. Irgendeinen Nährwert mussten sie haben. Er stand auf, wälzte zwei Ballen über den Boden und ließ sie in die Banse fallen. Zwei dumpfe Schläge, staubig. Er ging zum Giebel zurück und musterte, was er jenseits der Scheunenecke vom Haus sehen konnte. Dann kletterte er die Leiter wieder hinunter.
     
     
    Das Gras zwischen Haus und Scheune sah unberührt aus. Er ging zur Veranda hinüber. Die Fliegengitter bis zum Zerbröckeln verrottet. Ein Kinderfahrrad. Die Küchentür stand offen, und er überquerte die Veranda und blieb in der Tür stehen. Billige, von Feuchtigkeit verzogene Sperrholzvertäfelung. Teils von der Wand abgefallen. Ein Tisch mit roter Resopalplatte. Er öffnete die Kühlschranktür. In einem der Fächer lag etwas, das einen Überzug aus grauem Pelz trug. Er schloss die Tür wieder. Überall Müll. Er holte einen Besen aus der Ecke und stocherte mit dem Stiel darin herum. Er kletterte auf die Arbeitsplatte und tastete sich durch den Staub auf den Oberschränken. Eine Mausefalle. Ein Päckchen mit irgendetwas. Er pustete den Staub weg. Es war ein Getränkepulver mit Traubengeschmack. Er steckte es in seine Jackentasche.
     
     
    Er durchsuchte das Haus Zimmer für Zimmer. Er fand nichts. In der Schublade eines Nachtschränkchens ein Löffel. Er steckte ihn ein. Er dachte, es könnte in einem Schrank vielleicht ein paar Kleidungsstücke oder Bettzeug geben, aber das war nicht der Fall. Er ging hinaus und zur Garage hinüber, sah Geräte durch. Rechen. Eine Schaufel. Auf einem Bord Büchsen mit Nägeln und Schrauben. Ein Teppichmesser. Er hielt es ans Licht, betrachtete die rostige Klinge und legte es zurück. Dann griff er erneut danach. Aus einer alten Kaffeedose nahm er einen Schraubenzieher und öffnete den Griff des Messers. Darin waren vier neue Klingen. Er nahm die alte Klinge heraus, legte sie auf das Bord, setzte eine von den neuen ein, schraubte den Griff wieder zu, fuhr die Klinge zurück und steckte das Messer ein. Dann griff er nach dem Schraubenzieher und steckte auch ihn ein.
     
    Er ging zurück zur Scheune. Er hatte ein Stück Tuch dabei, in dem er Samen aus den Heuballen sammeln wollte, doch bei der Scheune angelangt, blieb er stehen und lauschte dem Wind. Irgendwo hoch auf dem Dach über ihm ein Quietschen von Blech. In der Scheune hing noch ein Duft von Kühen, und beim Gedanken an Kühe ging ihm auf, dass sie ausgestorben waren. Stimmte das wirklich? Irgendwo könnte es doch noch eine Kuh geben, die gefuttert und versorgt wurde. War das wirklich möglich? Womit gefuttert? Wofür am Leben gehalten? Vor dem offenen Tor raschelte das tote Gras trocken im Wind. Er ging hinaus und schaute über die

Weitere Kostenlose Bücher