Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
Vom Netzwerk:
Parka, dann packte er ihre Schuhe zusammen mit dem Fernglas und dem Spielzeuglastwagen in den Rucksack. Er schüttelte die Plane aus, faltete sie zusammen, befestigte sie mit den anderen Decken auf dem Rucksack, schulterte ihn und ging ein letztes Mal den Inhalt des Korbes durch, aber da war nichts mehr. Gehen wir, sagte er. Der Junge warfeinen letzten Blick zurück zu dem Wagen, dann folgte er ihm zur Straße.
     
    Das Gehen war noch beschwerlicher, als er vermutet hätte. In einer Stunde legten sie knapp zwei Kilometer zurück. Er blieb stehen und blickte sich zu dem Jungen um. Der Junge blieb stehen und wartete.
    Du glaubst, wir müssen sterben, stimmt̕s?
    Ich weiß nicht.
    Wir werden nicht sterben.
    Okay.
    Aber du glaubst mir nicht.
    Ich weiß nicht.
    Warum glaubst du, wir müssen sterben?
    Ich weiß nicht.
    Hör auf mit diesem Ich weiß nicht.
    Okay.
    Warum glaubst du, wir müssen sterben?
    Wir haben nichts mehr zu essen.
    Wir treiben schon was auf.
    Okay.
    Was glaubst du, wie lange Menschen ohne Essen überleben können?
    Ich weiß nicht.
    Aber was glaubst du?
    Vielleicht ein paar Tage.
    Und was dann? Dann fällt man tot um?
    Ja.
    Falsch. Das dauert lange. Wir haben Wasser. Das ist das Wichtigste. Ohne Wasser überlebt man nicht sehr lange. Und Wasser haben wir.
    Okay.
    Aber du glaubst mir nicht.
    Ich weiß nicht.
    Er musterte ihn. Wie er da stand, die Hände in den Taschen des übergroßen Nadelstreifenjacketts.
    Glaubst du, ich belüge dich?
    Nein.
    Aber was das Sterben angeht, glaubst du, dass ich vielleicht schon lüge.
    Ja.
     
    Okay. Vielleicht tue ich das ja auch. Aber wir werden nicht sterben. Okay.
     
     
     
    Er musterte den Himmel. Es gab Tage, an denen sich der aschfarbene Überzug lichtete, und nun warfen die Bäume an der Straße einen ganz schwachen Schatten. Sie marschierten weiter. Dem Jungen ging es nicht gut. Er blieb stehen, sah nach seinen Füßen, verknotete das Plastik neu. Wenn der Schnee zu schmelzen anfing, würde es schwierig werden, die Füße trocken zu halten. Sie ruhten oft aus. Er hatte nicht die Kraft, das Kind zu tragen. Sie setzten sich auf den Rucksack und aßen mehrere Handvoll des schmutzigen Schnees. Am Nachmittag begann er zu schmelzen. Sie kamen an einem niedergebrannten Haus vorbei, von dem bloß noch der gemauerte Schornstein stand. Sie waren den ganzen Tag unterwegs, wenn von Tag überhaupt die Rede sein konnte. So wenige Stunden. Insgesamt schafften sie vielleicht fünf Kilometer.
     
    Er dachte, die Straße sei so schwer passierbar, dass niemand sie benutzte, aber er irrte sich. Sie kampierten knapp daneben und entzündeten ein großes Feuer, zerrten tote Äste aus dem Schnee und häuften sie auf die Flammen, wo sie zischten und dampften. Es war nicht zu ändern. Die wenigen Decken, die sie hatten, würden sie nicht warm halten. Er versuchte, wach zu bleiben. Immer wieder fuhr er aus dem Schlaf hoch und tastete mit fahrigen Bewegungen nach dem Revolver. Der Junge war so dünn. Er betrachtete ihn, während er schlief. Straffe Gesichtshaut und hohle Augen. Eine seltsame Schönheit. Er stand auf und zerrte mehr Holz aufs Feuer.
    Sie gingen auf die Straße und blieben stehen. Im Schnee waren Spuren. Ein Wagen. Irgendein Gefährt mit Rädern. Nach dem schmalen Profil zu urteilen etwas mit Gummireifen. Zwischen den Rädern Stiefelabdrücke. Jemand war in der Dunkelheit Richtung Süden vorbeigekommen. Spätestens bei Anbruch der Dämmerung. War nachts unterwegs. Er überlegte, was das zu bedeuten hatte. Er schritt die Spuren ab. Die Leute waren keine zwanzig Meter vom Feuer entfernt vorbeigekommen und hatten sich gar nicht damit aufgehal-ten, nachzusehen. Er blickte die Straße hinauf. Der Junge sah ihm zu.
    Wir müssen von der Straße runter.
    Wieso, Papa?
    Es kommen Leute.
    Sind das Böse?
    Ja. Ich furchte schon.
    Es könnten doch auch Gute sein, oder?
    Er gab keine Antwort. Aus alter Gewohnheit blickte er zum Himmel auf, aber es war nichts zu sehen.
    Was machen wir denn jetzt, Papa?
    Gehen wir.
    Können wir zum Feuer zurück?
    Nein. Komm. Wir haben wahrscheinlich nicht viel Zeit.
    Ich habe richtig Hunger.
    Ich weiß.
    Was machen wir denn jetzt?
    Wir müssen uns verkriechen. Von der Straße runter.
    Sehen die denn nicht unsere Spuren?
    Doch.
    Was können wir da machen?
    Ich weiß nicht.
    Werden sie wissen, was wir sind?
    Was?
    Wenn sie unsere Spuren sehen. Werden sie dann wissen, was wir sind?
    Er blickte zurück auf ihre großen, runden Abdrücke im Schnee.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher