Die Straße
Zweige. Dann wieder ein Krachen. Er streckte die Hand aus und schüttelte den Jungen. Wach auf, sagte er. Wir müssen gehen.
Der Junge rieb sich mit den Handrücken den Schlaf aus den Augen. Was ist denn?, fragte er. Was ist, Papa?
Komm. Wir müssen weg.
Was ist denn?
Die Bäume. Sie stürzen um.
Der Junge setzte sich auf und blickte sich verstört um.
Keine Angst, sagte der Mann. Komm. Wir müssen uns beeilen.
Er raffte das Bettzeug an sich, faltete es zusammen und wickelte die Plane darum. Er blickte auf. Der Schnee wehte ihm in die Augen. Das Feuer bestand fast nur noch aus Kohlen, die keinerlei Licht gaben, das Holz war fast aufgebraucht, und um sie herum in der Schwärze stürzten die Bäume um. Der Junge klammerte sich an ihn. Sie setzten sich in Bewegung, und er versuchte, in der Dunkelheit eine Lichtung zu finden, doch schließlich legte er die Plane auf den Boden, sie setzten sich einfach hin, zogen sich die Decken über den Kopf, und er hielt den Jungen an sich gedrückt. Die dumpfen Schläge der umstürzenden Bäume und das tiefe Wummern, mit dem die Schneelasten zerplatzten, ließen den Wald erzittern. Er hielt den Jungen fest und sagte ihm, er solle keine Angst haben, es werde bald aufhören, und nach einer Weile tat es das auch. Das dumpfe Chaos erstarb in der Ferne. Noch ein letztes Geräusch, vereinzelt und weit weg. Dann nichts mehr. Na, siehst du, sagte er. Ich denke, das war̕s. Unter einem umgestürzten Baum grub er eine Höhle, schaufelte mit den Armen den Schnee weg, die vor Kälte erstarrten Hände in die Innenseite seiner Ärmel verkrallt. Sie zerrten ihr Bettzeug und die Plane herein, und nach einer Weile schliefen sie trotz der bitteren Kälte wieder.
Bei Tagesanbruch schob er sich aus ihrer Höhle unter der von Schnee schweren Plane hervor. Er stand auf und blickte sich um. Es hatte zu schneien aufgehört, und die Zedern lagen in Hügeln aus Schnee, abgebrochenen Ästen und ein paar stehengebliebenen Stämmen umher, die nackt und wie verbrannt in der grau werdenden Landschaft aufragten. Er ließ den Jungen wie ein Winterschlaf haltendes Tier unter dem Baumstamm zurück und stapfte durch die Verwehungen los. Der Schnee reichte ihm fast bis zu den Knien. Das tote Riedgras auf der Wiese war kaum mehr zu sehen, der Schnee stand in gezackten Graten auf den Zaundrähten, und die Stille war atemverschlagend. Er stand an einen Pfosten gelehnt und hustete. Er hatte wenig Ahnung, wo sich der Wagen befand, und dachte, dass er allmählich verblödete und sein Verstand nicht mehr richtig funktionierte. Konzentrier dich, sagte er. Du musst nachdenken. Als er sich umdrehte, um zurückzugehen, rief der Junge nach ihm.
Wir müssen gehen, sagte er. Hier können wir nicht bleiben.
Der Junge starrte freudlos auf die grauen Verwehungen.
Na komm.
Sie stapften hinaus zum Zaun.
Wo gehen wir hin?, fragte der Junge.
Wir müssen den Wagen finden.
Er stand einfach nur da, die Hände unter den Achseln sei- nes Parkas.
Na komm, sagte der Mann. Du musst kommen.
Er watete über die verwehten Felder. Der Schnee war tief und grau und schon von einer frischen Ascheschicht bedeckt. Er mühte sich noch ein paar Schritte weiter, dann drehte er sich um und blickte zurück. Der Junge war gestürzt. Er ließ den Armvoll Decken und die Plane fallen, eilte zurück und hob ihn auf. Er zitterte bereits. Er hob ihn auf und drückte ihn an sich. Es tut mir leid, sagte er. Es tut mir leid.
Sie brauchten lange, um den Wagen zu finden. Er hievte ihn aus den Verwehungen und stellte ihn auf die Räder, wühlte den Rucksack hervor, schüttelte ihn aus, öffnete ihn und stopfte eine von den Decken hinein. Er legte den Rucksack, die anderen Decken und die Jacketts in den Korb, hob den Jungen hoch, setzte ihn obendrauf, löste ihm die Schnürsenkel und zog ihm die Schuhe aus. Dann zückte er sein Messer und machte sich daran, eines der Jacketts zu zerschneiden und die Füße des Jungen mit den Stoffstreifen zu umwickeln. Er verwendete das ganze Jackett, dann schnitt er große Plastikvierecke aus der Plane, legte sie von unten um die Füße des Jungen und band sie mit dem Futterstoff aus den Jackettärmeln an den Knöcheln fest. Er trat einen Schritt zurück. Der Junge senkte den Blick. Jetzt du, Papa, sagte er. Er hüllte den Jungen in eines der Jacketts, dann setzte er sich im Schnee auf die Plane und umwickelte sich selbst die Füße. Er stand auf und wärmte sich die Hände in seinem
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