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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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hustend ging er den Strand entlang. Er blieb stehen und blickte hinaus auf die dunklen Wogen. Er schwankte vor Erschöpfung. Er ging zurück, setzte sich zu dem Jungen, faltete das Tuch neu, wischte ihm das Gesicht ab und breitete ihm dann das Tuch über die Stirn. Du musst in der Nähe bleiben, sagte er. Du musst schnell sein. Damit du bei ihm sein kannst. Nimm ihn in die Arme. Der letzte Tag der Erde.
     
     
    Der Junge schlief den ganzen Tag. Er weckte ihn immer wieder, um ihm das Zuckerwasser einzuflößen, und die trockene Kehle des Jungen arbeitete heftig. Du musst trinken, sagte er. Okay, ächzte der Junge. Der Mann drückte den Becher unter leichtem Drehen im Sand neben ihm fest, schob ihm die gefaltete Decke unter den schweißnassen Kopf und deckte ihn zu. Ist dir kalt?, fragte er. Aber der Junge war schon wieder eingeschlafen.
     
    Er versuchte, die ganze Nacht wach zu bleiben, schaffte es jedoch nicht. Er wachte immer wieder auf, setzte sich hin, schlug sich ins Gesicht oder stand auf, um Holz nachzulegen. Er hielt den Jungen in den Armen und hörte, wenn er sich vorbeugte, das mühsame Atemholen. Seine Hand an der dünnen Sprossenleiter der Rippen. Er ging bis zum Rand des Lichtkreises, blieb, die geballten Fäuste auf dem Schädel, stehen und fiel, vor Zorn schluchzend, auf die Knie.
     
     
    In der Nacht regnete es kurz, ein leises Trommeln auf der Plane. Er zog sie über sich und den Jungen, drehte sich zur Seite, nahm ihn in die Arme und sah durch das Plastik hindurch den blauen Flammen zu. Dann fiel er in einen traumlosen Schlaf.
     
    Als er wieder aufwachte, fand er sich kaum zurecht. Das Feuer war ausgegangen, der Regen hatte aufgehört. Er warf die Plane zurück und stützte sich auf die Ellbogen. Graues Tageslicht. Der Junge beobachtete ihn. Papa, sagte er.
    Ja, ich bin hier.
    Kann ich einen Schluck Wasser haben?
    Ja. Ja, natürlich. Wie fühlst du dich?
    Irgendwie komisch.
    Hast du Hunger.
    Nein, bloß richtigen Durst.
    Ich hole das Wasser.
    Er warf die Decken zurück, stand auf, ging an dem toten Feuer vorbei, holte den Becher des Jungen, füllte ihn mit Wasser aus dem Plastikkanister, kam zu dem Jungen zurück, kniete sich neben ihn und hielt ihm den Becher. Du wirst schon wieder, sagte er. Der Junge trank. Er nickte und sah seinen Vater an. Dann trank er den Rest des Wassers. Mehr, sagte er.
     
     
    Er machte ein Feuer, hängte die feuchten Kleider des Jungen auf Stöcke und brachte ihm eine Dose Apfelsaft. Kannst du dich überhaupt noch erinnern?, fragte er.
    An was?
    An das Kranksein.
    Ich erinnere mich, wie wir mit der Leuchtpistole geschossen haben.
    Erinnerst du dich, wie wir die Sachen vom Boot geholt haben?
    Der Junge saß da und nippte an dem Apfelsaft. Er blickte auf. Ich bin doch nicht blöd, sagte er.
    Das weiß ich doch.
    Ich habe ein paar komische Träume gehabt.
    Wovon denn?
    Das will ich dir nicht sagen.
    Das ist schon okay. Ich möchte, dass du dir die Zähne putzt.
    Mit richtiger Zahnpasta.
    Ja.
    Okay.
     
     
    Er überprüfte sämtliche Konserven, fand aber nichts Suspektes. Er sortierte einige aus, die stark angerostet waren. An diesem Abend saßen sie am Feuer, der Junge trank heiße Suppe, der Mann wendete die an den Stöcken hängenden, dampfenden Kleider und sah dem Jungen zu, bis es diesem peinlich wurde. Hör auf, mich so anzuschauen, Papa, sagte er.
    Okay.
    Aber er tat es nicht.
     
     
    Zwei Tage später gingen sie, in ihren Plastiküberschuhen durch den Sand stapfend, bis zu der Landspitze und zurück. Sie aßen gewaltige Mahlzeiten, und er baute mit Seilen und Stangen einen Wetterschutz aus Segeltuch. Sie reduzierten ihre Vorräte auf eine für den Einkaufswagen verkraftbare Last, und er meinte, dass sie in zwei Tagen aufbrechen könnten. Dann sah er, als sie spät am Tag zum Lager zurückkamen, Stiefelabdrücke im Sand. Er blieb stehen und blickte den Strand entlang. Mein Gott, sagte er. Mein Gott.
    Was ist denn, Papa?
    Er zog den Revolver aus dem Gürtel. Komm, sagte er. Beeil dich.
     
     
    Die Plane war weg. Ihre Decken. Die Wasserflasche und der am Lagerplatz aufbewahrte Nahrungsmittelvorrat. Das Segeltuch hatte es in die Dünen geweht. Ihre Schuhe waren weg. Er rannte durch die mit Strandhafer bestandene Senke zu der Stelle, wo sie den Einkaufswagen gelassen hatten, doch auch der war weg. Alles. Du blöder Esel, sagte er. Du blöder Esel.
    Der Junge hatte die Augen weit aufgerissen. Was ist denn passiert, Papa?
    Sie haben alles mitgenommen. Komm.
    Der Junge

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