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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Bucht und drückte ab. Mit langgezogenem Zischen flog die Leuchtkugel im Bogen in die Düsternis empor und explodierte irgendwo über dem Wasser zu einem trüben Licht, das eine Zeitlang am Himmel hing. Die heißen Magnesiumschlieren trieben langsam in der Dunkelheit herab, und das fahle, ufernahe Wasser leuchtete in dem Gleißen auf und verglomm langsam wieder.
    Sehr weit könnten sie das aber nicht sehen, oder, Papa?
    Wer?
    Irgendwer.
    Nein. Nicht weit.
    Wenn man zeigen wollte, wo man ist.
    Du meinst, den Guten?
    Ja. Oder sonstwelchen Leuten, die wissen sollen, wo man ist.
    Wer denn zum Beispiel?
    Ich weiß nicht.
    Gott?
    Ja. Vielleicht so jemand.
     
     
    Am Morgen machte er ein Feuer und ging ein Stück den Strand entlang, während der Junge schlief. Er war nicht lange fort, doch ihn befiel ein seltsames Unbehagen, und als er zurückkam, stand der Junge, in seine Decken gehüllt, auf dem Strand und wartete auf ihn. Der Mann beschleunigte seine Schritte. Als er bei dem Jungen ankam, setzte dieser sich hin.
    Was ist denn?, fragte er. Was ist denn?
    Mir geht es nicht gut, Papa.
    Er legte dem Jungen die Hand auf die Stirn. Sie glühte. Er hob ihn auf und trug ihn zum Feuer. Alles okay, sagte er. Du wirst schon wieder.
    Ich glaube, mir wird gleich schlecht.
    Das ist schon okay.
    Er saß neben ihm im Sand und hielt ihm den Kopf, während der Junge sich vorbeugte und übergab. Mit der Hand wischte er ihm den Mund ab. Es tut mir leid, sagte der Junge. Pst. Du hast doch nichts Unrechtes getan.
     
     
    Er trug ihn zum Lagerplatz und deckte ihn zu. Er versuchte ihn dazu zu bringen, dass er etwas Wasser trank. Er legte mehr Holz aufs Feuer und kniete sich neben ihn, die Hand auf seiner Stirn. Du wirst schon wieder, sagte er. Er hatte schreckliche Angst.
    Geh nicht weg, sagte der Junge.
    Natürlich gehe ich nicht weg.
    Auch nicht kurz.
    Nein. Ich bleibe bei dir.
    Okay. Okay, Papa.
     
    Er hielt ihn die ganze Nacht in den Armen, döste immer wieder ein und schreckte entsetzt hoch, um nach dem Herzen des Jungen zu tasten. Am Morgen ging es ihm nicht besser. Er versuchte ihn dazu zu bringen, dass er etwas Saft trank, aber der Junge wollte nicht. Er presste ihm die Hand auf die Stirn, beschwor eine Kühle herauf, die sich nicht einstellen wollte. Er wischte ihm, während er schlief, den weißen Mund. Ich werde mein Versprechen halten, flüsterte er. Ganz gleich, was passiert. Ich werde dich nicht allein in die Dunkelheit schicken.
    Er sah den Erste-Hilfe-Kasten vom Boot durch, doch darin fand sich nicht viel Brauchbares. Aspirin. Mullbinden und Desinfektionsmittel. Ein paar Antibiotika, allerdings mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum. Doch das war alles, was er hatte, und er half dem Jungen beim Trinken und legte ihm eine der Kapseln auf die Zunge. Der Junge war schweißgebadet. Er hatte ihn bereits aus den Decken geschält, nun zog er ihm auch die Jacke und dann die restlichen Kleider aus und rückte ihn vom Feuer weg. Der Junge blickte zu ihm auf. Mir ist so kalt, sagte er.
    Ich weiß. Aber du hast richtig hohes Fieber, und wir müssen sehen, dass wir dich ein bisschen abkühlen.
    Kann ich noch eine Decke haben?
    Ja. Natürlich.
    Du gehst doch nicht weg?
    Nein. Ich gehe nicht weg.
     
     
    Er trug die schmutzigen Kleider des Jungen in die Brandung und wusch sie, stand zitternd, von der Taille abwärts nackt, im kalten Wasser, schwenkte die Sachen darin hin und her und wrang sie aus. Auf schräg in den Sand gesteckten Stöcken breitete er sie am Feuer aus, legte Holz nach, setzte sich dann wieder zu dem Jungen und strich ihm das verfilzte Haar glatt. Am Abend öffnete er eine Dose Suppe, stellte sie in die Glut, aß und sah zu, wie die Dunkelheit hereinbrach. Als er aufwachte, lag er zitternd im Sand, das Feuer war fast völlig heruntergebrannt, und es war schwarze Nacht. Er fuhr hoch und tastete nach dem Jungen. Ja, flüsterte er. Ja.
     
     
    Er fachte das Feuer wieder an, holte ein Tuch, befeuchtete es und legte es dem Jungen auf die Stirn. Das winterliche Morgengrauen brach an, und als es so hell war, dass er etwas sehen konnte, ging er in den Wald hinter den Dünen und kam mit einem großen Travois toter Äste und Zweige wieder, die er klein machte und in der Nähe des Feuer aufschichtete. Er zerdrückte mehrere Aspirintabletten in einem Becher, löste sie in Wasser auf, fügte etwas Zucker hinzu, setzte sich zu dem Jungen, hob ihm den Kopf an und hielt den Becher, während der Junge trank.
     
     
    Vornübergebeugt und

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