Die Strozzi
Polybios über die römische Miliz neu ins Italienische zu übersetzen, über deren Schwierigkeiten er mit dem Freund Piero Vettori einen eifrigen Briefwechsel führte. Im Dezember erschien jedoch ein kaiserlicher Bote mit dem Auftrag, den Prozess endlich zu beginnen, und als Anstalten gemacht wurden, den Gefangenen zu diesem Zweck aus der Festung zu führen, beschloss Filippo, seinem Leben ein Ende zu setzen, indem er sich mit einem Schwert den Tod gab. Dies geschah am 18. Dezember 1538.
Auf der Brust des Toten fand man ein Blatt von seiner Hand mit der lateinischen Überschrift «Deo liberatori» – Gott, dem Befreier –, auf dem er seinen Entschluss, Selbstmord zu begehen, begründete. Er wollte nicht noch einmal der Tortur unterworfen werden, um Dinge zu gestehen, die seine und die Ehre seiner unschuldigen Verwandten befleckten. Seine Seele empfahl er Gott und bat ihn, ihm wenigstens jenen Ort zuzuweisen, an dem sich Cato Uticensis und andere treffliche Männer befanden. Er meinte damit den jüngeren Cato, der die römische Republik vergeblich gegen Julius Cäsar verteidigt und sich nach der im Jahre 46 v. Chr. verlorenen Schlacht von Thapsus in sein Schwert gestürzt hatte. Den Kaiser forderte er auf, sich besser zu erkundigen, wie es um die arme Stadt Florenz bestellt sei, falls er deren Wohl im Sinn habe. Er bat noch einmal darum, in Santa Maria Novella begraben zu werden. Dann schloss er mit den lateinischen Worten und einem leicht abgeänderten Vers Vergils:
«Philippus Strozza jamjam moriturus:
Exoriare aliquis ex ossibus meis mei sanguinis ultor»
Filippo Strozzi, schon dem Tod geweiht:
Möge aus meinen Gebeinen ein Rächer meines Bluts erwachsen.
Ein noch am selben Tag nach Spanien gesandter Bericht erzählt die Vorgänge auf folgende Weise: Filippo Strozzi wurde Tag und Nacht von bewaffneten Garden bewacht. Einer dieser Wächter ließ versehentlich sein Schwert in Filippos Gemach liegen, als dieser ihn gebeten hatte, einen von der Nachtwache zu ihm zu rufen. Kaum hatte der Wächter den Raum verlassen, verriegelte Filippo Strozzi seine Tür und nahm sich mit diesem Schwert das Leben. Für die kursierenden Gerüchte, dass Cosimo die Tötung veranlasst hatte, gibt es keine Bestätigung.
Der Tote fand kein Grab in Santa Maria Novella an der Seite seiner Frau und seines Vaters, wie er es sich bis zuletzt gewünscht hatte. Als Selbstmörder wurde Filippo Strozzi in ungeweihter Erde außerhalb der Stadtmauer bei einer kleinen Kapelle begraben. Cosimo de’ Medici konnte zufrieden sein, und auch Karl V. dürfte seinen Tod kaum bedauert haben. Man weiß, wie unerbittlich der Kaiser alle Aufständischen behandelte. Alle republikanischen Träume und die Hoffnungen der Optimaten, in Florenz mitregieren zu können, waren nun zerbrochen und die Herrschaft der Medici endgültig etabliert – allerdings um den Preis einer dauernden Abhängigkeit von den Spaniern.
Filippo Strozzi starb mit der Geste eines antiken Heroen für eine Freiheit, die es schon lange nicht mehr gab und an deren Zerstörung er selbst mitgewirkt hatte. Die vielfältigen, widersprüchlichen Facetten seiner Persönlichkeit hat der Zeitgenosse und Chronist Bernardo Segni treffend in die Worte gefasst: «Sein ungebundenes Leben, seine Zügellosigkeit, seine Liebenswürdigkeit, die Anmut, das Geschick, mit Menschen umzugehen, die Freigebigkeit, die Missachtung der Regeln und das Sichhingeben einmal dem Laster und ein anderes Mal der Tugend bewirkten, dass er immer von der Jugend geliebt, vom Adel mit Ehrerbietung behandelt und vom Volk umschmeichelt wurde, sodass er, obwohl er als Privatmann lebte, doch wie ein Fürstwar.» Ein Anhänger der Republik meinte jedoch kritisch: «Er hätte jeden Herrn in Florenz ertragen, wenn er ihm seine Habe und sein Leben garantiert hätte.» Dies war letztlich das Grundmotiv, das Filippos Tun und Handeln sein ganzes Leben lang bestimmt hatte.
Filippos Söhne fanden am französischen Hof Aufnahme, gaben aber nie die Hoffnung auf, nach Florenz zurückzukehren und die Herrschaft Cosimo de’ Medicis zu stürzen. Piero wurde schon 1541 zum Kammerherrn des Königs ernannt (siehe Abb. rechts). Er machte dann aber eine große militärische Karriere im Dienst Frankreichs in den Kriegen gegen Karl V. Als Heinrich II. Franz I. auf dem Thron nachfolgte und Caterina de’ Medici, die ihre Cousins sehr liebte, Königin von Frankreich wurde, begann der unaufhaltsame Aufstieg der Strozzi am französischen Hof. Piero
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