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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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›Nach-Frühstück‹ in der Au denken ließ und an Edithas Kritik bezüglich solcher Gepflogenheiten. Der Tisch war nun fast ganz besetzt. Melzer neben Asta. Jenen ließ es nicht los, daß da irgendeine ›Lage‹ herrsche, daß man auf der Hut sein müsse und aufmerksam. Etelka tanzte mit Karl von W. Auch war da auf einmal der Doktor Negria am Tische und holte sich die Dame zum Tanz, welche mit ihrem Gatten gekommen war. Asta hatte freilich bald Angely de Lys ärgerliche Erscheinung entdeckt und machte sich bei Melzer Luft. Hier im Saale geriet alles immer mehr durcheinander, wie's denn zu gehen pflegt. Die Dörfler übten das Tanzen mit Zähigkeit und Ernst aus, auch Asta ward entführt. Dann tanzte sie mit Melzer. Etelka, an diesem Abend überaus lebhaft, vollführte mit Karl von W. und zwei anderen jungen Leuten einen recht erheblichen Lärm, soweit sie nicht mit Karl tanzte, was jetzt schon fast ununterbrochen geschah. Plötzlich sah man Karls jüngeren Bruder, der sich von Asta offenbar vernachlässigt fühlte, mit Angely de Ly dahinschweben. Weil sich dieser junge Herr nun wirklich auf das Tanzen verstand (offenbar hatte sie ihm das angesehen?) kam Angely jetzt zum gewünschten Effekt und zur entsprechenden Raumverdrängung. Denn man hörte da und dort immer mehr mit dem ei genen Gehopse auf und sah zu. Der Partner wurde übrigens, wie man bemerken konnte, durch kleine Zuflüsterungen von der Tanzmeisterin gesteuert und auf die jeweils nächste Figur eines amplifizierten und komplizierten südamerikanischen Tango vorbereitet. Der Schluß war einigermaßen phantastisch. Es wurde applaudiert. Eine etwas massive Bemerkung Etelkas ward inzwischen vielleicht nicht nur am eigenen Tische vernehmlich: »zum Kotzen!« hatte sie gesagt, sich zu Karl beugend. Asta erkannte, daß ihre Schwester einen Schwips hatte. Endlich war die Tanzproduktion vorbei. Der Kellner schien im Gedränge nicht an den Tisch zu kriegen, Asta wollte etwas zum Trinken, und weil sie sich des Weines aus sportlichen Gründen unbedingt enthielt, ersuchte sie Melzer, ihr ein Mineralwasser zu besorgen.
    Dieser steuerte also durch den Tanzsaal und das Speisezimmer in die Schank, deren Türe zum Hausflur offen stand.
    Der quadratische Raum war fast leer, nur in der einen rückwärtigen Ecke lümmelten schweigend drei Leute vor ihren Gläsern. Während der Schankbursche einige Kistchen rückte, um am Eisschrank das Seitenfach zu öffnen, worin jenes hier nicht eben laufend verlangte Getränk sein mochte, trat Melzer unter die Tür, in welcher ein schon gekühlter Hauch der Sommernacht zusammentraf mit der dumpferen Luft des Schankzimmers und ihrer Durchsetztheit vom kellrigen Geruch der Bierfässer. Man roch auch den Straßenstaub von draußen und zugleich pflanzlichen Atem im Luftzug.
    Um die enge Kurve der Straße kam plötzlich Licht, Brausen, aber es wischte nicht vorbei, sondern es schloß mit dem Scharren der Reifen und dem Geräusch des niedergepreßten Kieses, während der weiterlaufende Automobilmotor gleich sam unaufhörlich mitteilte, daß hier jemand vorgefahren und ein später Gast vor dem Hotel angelangt sei. Wirklich wurde auch alsbald der Zimmerkellner sichtbar, der hier den Empfang und alles von dieser Art überhaupt besorgte, denn der Wirt und Eigentümer schien mehr zu seinen Bauern in der Schank gehörig. Auch ein Zimmermädchen erschien unten an der Treppe. Der neue Gast, dessen flacher Koffer eben hereingetragen wurde, kam an Melzer vorbei: aber er zog den Major gleichsam nach, es hob Melzern förmlich hinter jenem her: das war der erstaunliche, ja überwältigende Eindruck, welcher selten und immer dann aus dem Alltäglichen hervorspringt – wie aus plötzlich aufgestoßenem Türchen – wenn eine Vorstellung, die uns in irgendeiner Ecke bewohnt, plötzlich von außen bestätigt erscheint und als Wahrnehmung uns entgegentritt. Der römische Bürger Gnaeus Pompejus im Sport-Anzug unserer Tage war indessen unter Vorantritt des Zimmermädchens schon über die Treppen hinauf entschwunden. Melzer blieb sich des Überflüssigen seiner Frage an den Kellner, wer dieser Herr sei, so vollkommen bewußt, daß er im nächsten Augenblick schon beinahe bedauerte, sie überhaupt noch getan zu haben; und jener gab denn auch die erwartete unnötige Antwort: »Der Herr Generalkonsul Fraunhofer aus Belgrad.«
    Melzer hatte seinen ›Mattoni‹ bekommen und ging langsam wieder hinein.
    Da war sie also, die – ›Lage‹.
    Und er dabei sozusagen

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