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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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anderer als der Wiesbadener war's, der da die Zigaretten der Oplatek benötigt hätte, wofür er mit einem privaten und besonderen Kundenkreis in Verbindung stand; und der Zufall wollt's, daß darunter zwei oder drei Leute sich befanden, die dem Herrn Wedderkopp in jeder Hinsicht was bedeuten mußten und deren Wünsche und persönlichen Geschmack er zu befriedigen strebte. Hiezu aber reichten die kleinen Quanten von ein paar hundert Stück österreichischer Regie-Zigaretten und Virginia-Zigarren keineswegs aus, welche die seit neuestem gedoppelte Editha mit dementsprechend possierlichen Methoden (hierüber wird der Rittmeister noch andeutungsweise zu hören sein, und grunzend) über die Grenze brachte. Dieser Umstand machte für Mimi Scarlez die Reisen nach Salzburg und München zur Qual. Aber sie fügte sich. Das direkte Widerstreiten ist der Schwester gegenüber ihre Sache nie gewesen. Sie vermocht's nur durch Unterlassung, durch Hinausschieben; und das gab es denn jedesmal, wenn sie wieder zu Editha fahren sollte.
    Es galt, nicht nur größere Quantitäten auf einmal zu beschaffen sondern auch den gesicherten Weg zu finden für deren Transport. Und Wedderkopp drängte.
    Editha lag viel, ja zur Zeit alles an ihm, und man würde irren, wollte man glauben, daß dies nur in einer einzigen Richtung, nämlich der kommerziellen (um es schonend auszudrücken) der Fall war. Wedderkopp bezauberte sie, er riß sie mit und hin, er gab ihr Lust zum Leben. Dabei sah der Mann so aus, wie er hieß, und das möge genügen. Aber diese specknackige Unentwegtheit, welche dem Leben, wo es nicht sofort auf Trab oder Tourenzahl kommen wollte, gleich Beine zu machen verstand, es sozusagen ganz ungeniert in den Hintern tretend, dieses Glück, das da aus dem eigenen Wulst dampfte, all dies war für die Schlinger-Pastré bald so unentbehrlich geworden wie ein warmer Ofen im Winter. Ihr ahnte vielleicht, daß sich wohlzufühlen – sei's auf welche Art immer, nur auf eine eigene und entschiedene – das Leben erst als Leben aufschließt; und gerade hierin war sie doch viel vor verschlossenen Türen gestanden.
    Jener fröhliche Genickler aber (der so ganz das Gegenteil eines Hiobspostlers war!) ließ alle Quellen in ihr springen, soweit sie noch welche hatte (im Grunde sind das lauter Gemeinheiten), und es lag Editha im Frühjahre fünfundzwanzig – eben als Mimi Scarlez sich entschloß, die immer wieder hinausgeschobene Reise nach Europa endlich zu unternehmen –, es lag ihr mehr als viel daran, Wedderkoppen gerade jetzt des öfteren nahe zu leben. Denn seine Ehescheidung, schon vor der Bekanntschaft mit Editha de facto vollzogen, kam jetzt auch formaliter in Gang und zwar ganz von ihm aus, ohne Einwirkung Edithas: Wedderkopp tätigte ihr gegenüber ein Heirats-Offert. Richtig war's gewesen, daß sie dies, ohne da jemals den geringsten Wink gegeben zu haben, an sich herankommen ließ: und nun war's da. Soweit gut. Falsch dagegen, daß sie nicht gerade jetzt eine sehr lange Trennung einlegte – übrigens fuhr Editha zwischendurch einmal für acht Wochen nach Genf und Lausanne zu Verwandten – denn Trennungen vereinen, hierüber besteht kein Zweifel; meist schon nach wenigen Wochen zeigt sich da in den Briefen eine bemerkliche Erwärmung des Sprachgebrauchs, und nur diejenigen, welche beisammen sind, kommen auseinander, was ja auch der Logik entspricht. Aber bei Wedderkopp war das alles keineswegs so genau zu nehmen; in dieser nicht nur von Zigarrenrauch dampfenden Masse durfte man, wenn sie schon einmal gut im Bruzeln war, auch ein paar Strich daneben hauen, und man traf noch immer ins heiße Leben. Er brannte. Er hätte jetzt, im Schwung und Schwange wie er war, der Welt nicht nur einen Tritt in podicem versetzt, sondern ihr gleich auch ein paar vor den Latz geknallt (diese Redensart liebte er), um seine Sachen nur rasch vorwärts zu bringen. Alles in allem: die Geschwister Pastré blieben zu Paris knappe zwei Wochen beisammen, und dann fuhr Mimi allein nach Wien, wie's ja im übrigen auch den Plänen der Editha Schlinger entsprach, die jetzt ihrerseits in die Schweiz reiste. In Buenos Aires bei Mimi war sie 1923 gewesen.
    Gar nicht lange nach Negrias Durchbruch zu Nußdorf, der Fahrt auf dem Strom, dem Schwips vom griechischen Wein, dem weiterhin bald erfolgenden endgültigen Durchbrechen des alten Bootsmannes in medias res, dem ersten Zwist, dem zweiten Krach, dem dritten und endgültigen Abschied bis auf weiteres. Genau also: die

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