Die Strudlhofstiege
wenn man sagt, daß sie jene unter ihre schönsten Puppen einreihten. Auf diese Weise ist es späterhin zu einem bemerkenswerten Porträt der Frau Majorin Melzer gekommen. Denn der Herr E. P. welcher in Kunstsachen sich stets kundig nach allen Seiten umtat, war längst auf die Malerin Maria Rosanka verfallen, deren mitunter etwas merkwürdige Hervorbringungen freilich seiner skurrilen, eichkaterhaften Zusammengezogenheit was zu sagen hatten. Er war es also, der ein Jahr nach Melzers Hochzeit die beiden Damen – nämlich seine eigene Gattin und die Frau Major – dazu veranlaßt hat, sich von der Rosanka porträtieren zu lassen, welchem Umstände zwei in jeder Hinsicht gelungene Bilder verdankt wurden: beide sind später einmal sogar nach Stuttgart auf eine Kunst-Ausstellung gekommen, die eine größere Kollektion Rosanka'scher Werke zeigte; für diesen Zweck hatte Melzer das Porträt seiner Frau der Künstlerin über deren Ersuchen zur Verfügung gestellt. Denn das Bild war sein Eigentum, es ist nach der Vollendung von ihm angekauft, nicht aber zurückgewiesen worden, wie seinerzeit das Zihal'sche Porträt durch den Amtsrat. Obwohl, wenn man genau hinsah, auch in dem Porträt der Majorin Melzer eine Überschärfung in ganz gewisser Hinsicht nicht fehlte, welche als karikaturistisch aufzufassen ein unverständiger Mensch wohl wäre fähig gewesen. Es lag um die Augen. Sie fielen aus dem Bilde – wunderbar gemalt in ihrem schönen tiefen Blau! – gewissermaßen heraus und dem Beschauer entgegen. Es war um einen Hauch, um ein Haar – zu viel des Guten. Die Ro sanka hat's halt nicht lassen können. Klassisch gebildete Personen (wie der Rittmeister von Eulenfeld) hätten sich vor diesem Gemälde wahrscheinlich an den Ausdruck erinnert, den Homer für die Augen der Göttin Hera gebraucht, von welcher er sagt, sie sei ›kuh-äugig‹ gewesen (Βοώπις πότυια θεά). Das Auffallendste an der ganzen Sache aber war der Titel, unter welchem das Werk in dem Kataloge der Stuttgarter Ausstellung aufschien: ›Äußeres einer Himmelsfrucht‹ (und nicht etwa ›Porträt der Frau Th. M.‹). Melzer, welchem das vor Augen kam – durch Herrn E. P. denn das Porträt von dessen Frau befand sich ja gleichfalls in Stuttgart, jedoch normal betitelt – hat damals den Kopf geschüttelt, ja beinahe sich geärgert. Das war 1927. Einundzwanzig Jahre später, als die Rosanka längst zu Paris lebte, ist in einer großen internationalen Wiener KunstAusstellung ein Gemälde von ihr erschienen, welches sie ›Inneres einer Frucht‹ nannte. Es war ein aufgebrochener Kürbis. Die beiden Bilder wurden von der Rosanka als Pendants bezeichnet, was kein Mensch begreifen konnte (oder sollte hier gleichwohl irgendein Bezug vorliegen?). Damit verlor sich die Sache freilich in's Abseitige.
Erst elf Tage nach dem Unfalle am Althanplatz hat Melzer bei Frau Editha Schlinger telephonisch angerufen: zuletzt schon von Thea gemahnt, hinter welcher freilich die Pichler steckte mit ihrer Neugierde und einer seltsamen Witterung gleichsam, in den mit vielen Fältchen manchmal leicht hinaufgezogenen Nasenflügeln (was an den alten Herrn von Stangeler erinnern konnte). Sie schien sich da noch irgendetwas, ja, etwas Entscheidendes zu erwarten; und dann erst sollte die Verlobungsfeier im Gärtchen stattfinden. Darauf versteifte sie sich.
Eine ungewöhnliche Wärme zeichnete den Anfang dieses Monates Oktober im Jahre 1925 aus: ein richtiger IndianerSommer, Bruthitze und Sonnenglast. Man hat mitunter um 30 Grad gemessen.
Am Telephon war der Rittmeister. Der Major hatte vollends unbefangenen Tons nach Frau Editha gefragt: er müsse sich entschuldigen kommen, weil er solange nichts von sich habe hören lassen.
»Nix wie rauf, Melzerich!« rief Eulenfeld. »Und geschwinde! Was?! Halbe Stunde noch?! Was willste denn trinken? Ginum oder vinum cognaci? In gino Veritas. Sollst mal sehen, hier wird was geboten: die reinste Omelette surprise. Einmalige Gelegenheit.«
Oben angekommen – freilich gab sich Melzer gänzlich harmlos – erging es ihm zunächst wie Thea.
Der Rittmeister empfing ihn, geleitete ihn sogleich geheimnisvoll durch die Tapetentüre in das kleine rückwärtige Schlafzimmer, und hier sollte er nun warten, bis Eulenfeld ihn herausrufen werde: nur ein paar Augenblicke Geduld!
Es dauerte in der Tat nicht länger. Aber in dieser kurzen Zeitspanne wurde es Melzern – er betrachtete das bequeme Gestell aus Glas und Nickel beim Bette, davon
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