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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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nicht vergessen darf – von denen Sie aber nie gewußt haben. Ihre Schwester wird Ihnen das in bezug auf die Frau von Budau, geborene Schmeller, erklären. Und ich danke Ihnen. Für manche Stunde.«
    »Nu brat' mir eener 'nen Storch!« rief der Rittmeister und gelangte damit zum Durchbruch, so daß dies veränderte und umgestellte Bild fast ganz aus dem Rahmen und in Bewegung geriet. »Nu kennt der Melzerich die Duplizitäts-Gören auseinander! Unverzügliche Hebung!« Schon ergriff er Flasche und Gläser. »Bin ich entschuldigt?« sagte Melzer, der zu Editha getreten war und ihr jetzt erst in der zu Wien üblichen Weise die Hand küßte. »Sie sind's, Herr Major«, entgegnete sie ein wenig kleinlaut und mit einem beinah weinerlichen Unterton. »Aber ich –?« Die letzte Bemerkung ging unter, durch die entstehende Bewegung. Der Rittmeister hatte die Gläser verteilt, Mimi indessen das Teebrett hereingebracht. Man trank den Gin bevor man sich setzte. Melzer allerdings nippte kaum. In ihm lagen sozusagen Form, Rahmen und Dekor bereit, um sich der etwas aufgelösten Lage bald von neuem zu bemächtigen.
    Jetzt indessen streckte der Rittmeister die Beine von sich und sagte Melzern, was da zu sagen war: und somit freilich nicht alles, was man hätte sagen können. Er sprach in behaglicher aber zugleich knapper Erzählung; ein kritisches Ohr hätte aus der durchaus beiläufigen und wie im Handumdrehen bewältigten Vorgeschichte der Zwillinge etwa sehr wohl den Resonanzboden des Instrumentes erkannt, auf welchem hier ein deutscher Husaren-Rittmeister spielte; diesmal nur mit maßvoller Anwendung barocker oder klassizistischer Scherzchen: aber so nebenhin beweisend, daß die Umständlichkeiten der deutschen Sprache, ja vielleicht jeder abendländischen überhaupt, nur derjenige meistert, dem der klare und ordnende Schein römischer Prosa schon aus der Tiefe von mindestens ein paar Generationen heraufdringt, darin sich dieses Licht hat brechen und die es hat durchsetzen können. »Die zween hier vor Augen sitzenden Gören«, sagte er, »haben sich in zarter Jugend getrennt. Die eine floh das düstere Elternhaus und fand überm Wasser eine freundlichere Heimat, eine glückliche eheliche Gemeinschaft. Sie sitzt nun rechts von dir, Melzer, und ihr Name ist Mimi Scarlez.« (Melzer verbeugte sich leicht gegen Mimi, bei dieser seltsamen Art von Vorstellung ex post.) »Nun, nach vielen vergangenen Jahren wiedergekehrt, wird sie hier zu Wien mit ihren Erzeugern sich endlich versöhnen. Das andere, links von dir Platz habende Geschöpfchen, ist dir hingegen aus schöneren Jugendtagen sattsam bekannt; es weilt indessen erst seit des Vormonates Ende in unserer diesbezüglichen Mitte.« So ging's dahin.
    Vorher freilich war der Major noch befragt worden: wegen Stangelers Schwester Etelka, die der Rittmeister nur dem Namen nach kannte (den René selbst hatte er seit über einem halben Monate nicht mehr zu Gesicht bekommen); und auch wegen der Verunglückten am Althan-Platze, von der Melzer ja erwähnt hatte, daß er sie kenne; dessen knapp zusammenfassende Antworten bildeten solchermaßen eine Art Auftakt zu des Rittmeisters nachfolgender Rede. Es schien hier die Situation aus der Form, in welche sie durch Melzer von allem Anfange an geschlagen worden war, nicht mehr ganz herausgeraten zu sollen. Es war, als hielte die im Zimmer anwesende herbstliche Klarheit alle Konturen bei Schärfe und den Vorgang hiedurch unerbittlich bei seinem Wesen der Endhaftigkeit und des Abschlusses.
    Melzer, der Editha während Eulenfelds Erzählung unvermerkt aber genau beobachtete, konnte eine fühlbare Gedrücktheit der Schlinger dabei übergehen sehen in augenfällige Niedergeschlagenheit, ja Verdüsterung. Noch nicht, als Eulenfeld den Auftritt mit Thea kurz abtat – und hier mußte er wahrlich nicht ausführlich werden, denn Melzer hatte ja eben das gleiche erlebt, wenn auch wesentlich anders sich verhalten … Jedoch, nun berichtete der Rittmeister von dem Erscheinen der Polizei, welches eine Minute etwa nach der Rokitzer fluchtartigem Abgange erfolgt war: freilich ohne daß dieser die Ursache von jenem gewesen wäre, was nur Editha, wie sie hintennach gestand, durch einen Augenblick vermeint hatte; und das sähe ihr wieder ähnlich, setzte der Rittmeister hinzu. »Wärest stracks mit der Polente oder mit denen Kieberern, wie man zu Wien sagt, hier zusammengetroffen, unter erheblichem Erstaunen deinerseits, wenn dich das diesbezügliche Unglück vor

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