Die stumme Bruderschaft
Problem von Jesus aus Nazareth lösten, während Pilatus, der Statthalter, seinerseits anstrebte, dass die Juden ihn richteten, weil er einer von ihnen war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von beiden das Verbrechen begehen würde.
Jesus war in die Wüste gegangen. Das tat er oft. Diesmal hatte er gefastet, um sich damit, wie er sagte, auf den Plan seines Vaters vorzubereiten.
Eines Morgens wurde Josar vom Wirt der Herberge geweckt.
»Sie haben den Nazarener verhaftet.«
Er sprang aus dem Bett und rieb sich die Augen; er ging zum Wasserkrug und schüttete sich Wasser ins Gesicht, um wach zu werden. Dann nahm er seinen Umhang und machte sich auf den Weg zum Tempel. Dort traf er einen von Jesus’ Freunden, der inmitten der Menge ängstlich den Unterhaltungen lauschte.
»Was ist passiert, Judas?«
Judas fing an zu weinen, versuchte vor Josar zu fliehen, aber der holte ihn ein und packte ihn an der Schulter.
»Was ist denn los? Warum fliehst du vor mir?«
Mit Tränen in den Augen versuchte Judas, sich aus Josars Arm zu winden, aber er schaffte es nicht, und am Ende gab er ihm eine Antwort.
»Sie haben ihn verhaftet. Die Römer haben ihn mitgenommen, sie werden ihn kreuzigen, und ich …«
Die Tränen liefen ihm über die Wangen wie bei einem Kind. Aber Josar empfand zu seinem Erstaunen keinerlei Rührung. Er hielt Judas bloß weiterhin fest, damit er nicht fliehen konnte.
»Ich habe ihn verraten, Josar. Ich habe den besten aller Menschen verraten. Für dreißig Silbermünzen habe ich ihn den Römern ausgeliefert.«
Josar stieß ihn wütend von sich und rannte los, völlig außer sich, ohne zu wissen, wohin. Auf dem Platz vor dem Tempel traf er einen Mann, den er einmal in der Menge gesehen hatte, die Jesus’ Predigten lauschte.
»Wo ist er?«, fragte er ihn mit erstickter Stimme.
»Der Nazarener? Sie werden ihn kreuzigen. Pilatus kommt dem Wunsch der Priester nach.«
»Aber wessen klagt man ihn an?«
»Der Gotteslästerung, weil er sich für den Messias ausgibt.«
»Aber Jesus hat Gott nicht gelästert, er hat nie behauptet, der Messias zu sein, er ist der beste aller Menschen.«
»Sei vorsichtig, du bist ihm gefolgt, jemand könnte dich anzeigen.«
»Du bist ihm auch gefolgt.«
»Ebendeswegen gebe ich dir den Rat. Wir alle, die wir ihm gefolgt sind, sind nicht mehr sicher.«
»Sag mir wenigstens, wo ich ihn finden kann, wo sie ihn hinbringen werden …«
»Er wird am Freitag sterben, bevor die Sonne untergeht.«
Jesus’ Gesicht war von den Folterqualen gezeichnet. Man hatte ihm eine Dornenkrone aufgesetzt, die sich in die Stirn gebohrt hatte. Blut rann über sein Gesicht und durchtränkte seinen Bart.
Josar zählte im Geiste die Peitschenhiebe, mit denen zwei römische Soldaten Jesus straften. Einhundertzwanzig.
Jesus schleppte das Kreuz, an dem er gekreuzigt werden würde, und das Gewicht, zusammen mit dem Schmerz der Peitschenhiebe, zwang ihn am Wegrand in die Knie.
Josar machte einen Schritt nach vorn, um ihn zu stützen, aber ein Soldat stieß ihn beiseite. Jesus sah ihn dankbar an.
Er folgte Jesus bis auf die Spitze des Hügels, wo er gemeinsam mit anderen Verurteilten gekreuzigt werden sollte. Tränen schossen ihm in die Augen, als er sah, wie ein Soldat Jesus am Kreuz befestigte. Der Soldat nahm Jesus’ linke Hand und schlug auf der Höhe des Handgelenks einen Nagel in das Holz. Er wiederholte dasselbe mit der rechten Hand, aber der Nagel ging nicht sofort durch. Der Soldat musste es noch zwei weitere Male versuchen, bis der Nagel endlich im Holz steckte.
Die Füße nagelte er zusammen fest, den linken über dem rechten.
Die Zeit schien stillzustehen. Josar bat Gott, Jesus sobald wie möglich sterben zu lassen.
Ein anderer Soldat stieß seine Lanze in Jesus’ Seite, und aus der Wunde kam eine Menge Blut und etwas Wasser.
Jesus war tot, und Josar dankte Gott dafür.
An diesem Freitag im April präsentierte sich der Frühling in Sturmwolken gehüllt. Als sie den Körper des Nazareners vom Kreuz nahmen, blieb kaum Zeit, ihn ordentlich zurechtzumachen. Josar wusste, dass das Gesetz der Juden verlangte, alle Arbeit zu unterbrechen, selbst das Einhüllen eines Toten in das Leichentuch, sobald die Sonne unterging. Und weil Passah war, musste der Tote noch am selben Tag beigesetzt werden.
Josar wohnte reglos der Vorbereitung des Leichnams bei und sah zu, wie Joseph von Arimathia Jesus’ Körper in ein feines Leintuch hüllte.
Josar konnte in dieser Nacht nicht
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