Die stumme Bruderschaft
Morddezernat gearbeitet und schließlich um Versetzung gebeten, weil er, wie er sagte, das Blut satt hatte. Er machte einen guten Eindruck auf Marco, als sie ihn zu ihm schickten, um sich vorzustellen, nachdem Marco sich jahrelang beklagt hatte, dass sein Team unterbesetzt sei.
Marco erhob sich, Sofia ebenso. Sie machten sich auf den Weg zum Hauptaltar, gingen um ihn herum und betraten die Sakristei, wo genau in diesem Moment ein Priester erschien, der im Bischofssitz arbeitete.
»Ah, Signor Valoni, ich habe Sie gesucht! Der Kardinal möchte Sie sehen, in einer halben Stunde kommt der gepanzerte Wagen, um das Grabtuch abzutransportieren. Einer ihrer Männer hat uns angerufen, ein gewisser Antonino. Der Kardinal sagt, er findet keine Ruhe, bevor das Grabtuch sicher in der Bank untergebracht ist, auch wenn die ganze Kathedrale voller Carabinieri ist und man keinen Schritt tun kann, ohne über einen von ihnen zu stolpern.«
»Danke, Pater, das Grabtuch Christi wird bis zum letzten Moment bewacht, und ich selbst werde in dem gepanzerten Wagen mit zur Bank fahren.«
»Hochwürden wünscht, dass Pater Yves als Vertreter des Bistums das Grabtuch bis zur Bank begleitet und sich um alle Formalitäten kümmert.«
»Gut, Pater, in Ordnung. Wo ist der Kardinal?«
»In seinem Büro. Soll ich Sie begleiten?«
»Das ist nicht nötig, die Dottoressa und ich finden den Weg.«
Marco und Sofia betraten das Büro des Kardinals. Er wirkte nervös und fühlte sich sichtlich unwohl.
»Ah, Marco, treten Sie ein, treten Sie ein. Und Dottoressa Galloni! Setzen Sie sich.«
»Hochwürden«, hob Marco an, »die Dottoressa und ich werden mit dem Grabtuch zur Bank fahren, und ich weiß auch schon, dass Pater Yves mitkommt …«
»Ja, ja, aber deswegen habe ich Sie nicht herbestellt. Sehen Sie, im Vatikan ist man in großer Sorge. Monsignore Aubry hat mir versichert, der Papst sei erschüttert wegen dieses neuerlichen Brandes; er hat mich gebeten, alle neuen Erkenntnisse an ihn weiterzuleiten, damit er seinerseits den Heiligen Vater auf dem Laufenden halten kann. Deswegen wollte ich Sie bitten, mir vom Stand der Ermittlungen zu berichten, damit ich umgehend den Monsignore informieren kann. Sie können sich natürlich auf unsere Diskretion verlassen, wir wissen, wie wichtig Diskretion in solchen Fällen ist.«
»Hochwürden, wir wissen noch gar nichts, alles, was wir haben, ist ein Körper ohne Zunge in der Leichenschauhalle. Ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, Identität unbekannt. Wir wissen nicht einmal, ob er Italiener oder Schwede ist.«
»Nun, ich glaube, der im Gefängnis ist Italiener.«
»Warum?«
»Wegen des Aussehens, dunkler Typ, nicht sehr groß, gelbliche Hautfarbe …«
»Hochwürden, dieser Typ trifft auf die halbe Menschheit zu.«
»Ja, da haben Sie auch wieder Recht. Also gut, Marco, ich gebe Ihnen meine Privatnummer und außerdem meine Handynummer, damit sie mich vierundzwanzig Stunden am Tag erreichen können, falls Sie etwas Wichtiges herausfinden. Ich wäre gerne über alle Ihre Schritte informiert.«
Der Kardinal schrieb die Nummern auf eine Visitenkarte und überreichte sie Marco, der sie in seine Tasche steckte. Natürlich dachte er gar nicht daran, den Kardinal über all die Versuche und Fehlversuche zu unterrichten, die er machte und machen würde. Er würde seine Ermittlungsergebnisse nicht an den Erzbischof von Turin weitergeben, damit dieser sie an Monsignore Aubry weitergab und dieser an den stellvertretenden Kardinalstaatssekretär und dieser an den Kardinalstaatssekretär und dieser an den Papst und wer weiß an wen sonst noch.
Aber das behielt er für sich, er nickte bloß, als wäre er mit allem einverstanden.
»Marco, und wenn das Grabtuch sicher im Tresor der Bank liegt, lassen Sie es Pater Yves und mich umgehend wissen.«
Marco zog überrascht die Augenbraue hoch. Der Kardinal behandelte ihn, als wäre er sein Untergebener. Er würde auf diese Dreistigkeit nicht reagieren. Er erhob sich, Sofia ebenso.
»Wir müssen gehen, Hochwürden. Der gepanzerte Wagen kann jeden Augenblick da sein.«
5
Die drei Männer lagen auf Pritschen, jeder tief in Gedanken. Sie waren gescheitert und mussten in den nächsten Tagen fort. Turin war zu einem gefährlichen Ort geworden.
Ihr Kamerad war in den Flammen umgekommen, und möglicherweise hatte die Autopsie enthüllt, dass er keine Zunge hatte. Keiner von ihnen hatte eine. Einen erneuten Versuch zu starten, wäre Selbstmord. Der Mann, der im
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