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Die Stumme - La Muette

Titel: Die Stumme - La Muette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chahdortt Djavann
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stimmt’s? Tja, wie es aussieht, sind deine Pläne zum Teufel.«
    Sie erwiderte, ich sei eine dreckige kleine Nutte, genau wie meine Tante, ich wisse schon lange, was sich hier abspiele, und habe sie deswegen daran hindern wollen, hierherzukommen.

    »Und seit wann geht das schon so? Die Leute haben also recht, wenn sie sagen, dass das Haus meines Vaters ein Bordell geworden ist …«, lamentierte sie und schlug sich dabei mit der Faust gegen die Stirn.
    Ich fragte, ob sie nicht ein wenig übertreibe für jemanden, der gerade halb ohnmächtig geworden war. Da warf sie mit dem zweiten Schuh nach mit, aber diesmal konnte ich rechtzeitig ausweichen. Die Stumme kehrte zurück ins Zimmer; sie wirkte gelassen, ruhig, ihr Haar war offen. Es stand ihr gut. Ich bewunderte ihre Kühnheit. Mein Onkel versuchte, seine Schwester zur Vernunft zu bringen; nach einer Stunde hatte sie sich halbwegs beruhigt und ging zur Arbeit. Die Stumme und ich kehrten zurück nach Haus. Auf der Straße, vor dem Haus meines Onkels und vor unserem Haus, hatten sich Leute versammelt, sie folgten uns mit ihren Blicken. Wir drückten uns die Mauern entlang und liefen eiligen Schrittes, um im Haus Zuflucht zu finden.

E s ist merkwürdig, dass du Gefängniswärter bist.«
    »Ich habe es mir nicht ausgesucht.«
    »Absolvierst du deinen Militärdienst? Warum antwortest du mir nie?«
    »Ich darf nicht mit dir sprechen.«
     
    An Willen mangelte es der Stummen nicht; nur Menschen von der Dummheit meiner Mutter konnten ihre Hartnäckigkeit unterschätzen. Nachdem sie sich jahrelang in Schweigen gehüllt hatte, hatte sie beschlossen, den Plan meiner Mutter zu durchkreuzen; sie tat es auf radikale Weise, indem sie sich einem Mann hingab, den sie liebte, und ohne etwas im Gegenzug zu verlangen. Ein Schritt, der für eine Frau geradezu revolutionär war - nicht nur in unserer Gegend, sondern im ganzen Land, wo die Liebe noch immer eine Frage der Ehre von Brüdern und Vätern ist, ein Vertrag, eine Übereinkunft, ein simpler Handel, in diesem Land, wo die Liebe verboten ist.

    Etwas in ihr hatte sich verändert, ich weiß nicht genau was, aber ich sah die Stumme mit anderen Augen; sie war nicht mehr dieselbe, und dieser Tag, an dem wir beide gemeinsam zu Hause saßen, wie so viele Male zuvor, war mit keinem anderen Tag zu vergleichen. Ich wollte mit ihr sprechen, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte, mir war unbehaglich zumute; ich spürte, wie unangenehm es ihr war, dass man sie völlig nackt in den Armen meines Onkels überrascht hatte, aber sie strahlte eine große Ruhe aus; sie war verliebt, von Glück erfüllt: Das sprang sofort ins Auge. Sie bereitete das Frühstück vor. »Lass mich das doch machen, setz dich nur«, stammelte ich. Sie sah mich mit angedeutetem Lächeln und sehr sanftem Blick an. Stockend wagte ich hinzuzufügen: »Du hast getan, was getan werden musste. Jetzt wird dich niemand mehr ärgern. Du kannst dir ein Brautkleid nähen. Ich freue mich so für dich.«
    Traurigkeit überfiel mich, denn ich begriff, dass ich sie verlieren würde, bald würde sie nicht mehr mir gehören, sondern meinem Onkel.
    »Werde ich euch auch jeden Tag besuchen dürfen?«
    Mir liefen Tränen übers Gesicht.
    »Das ist die Rührung«, sagte ich. Sie nahm mich in
die Arme und drückte mich ganz fest, mit denselben liebevollen Armen, die meinen Onkel umschlungen hatten. Ich weiß nicht warum, aber meine Tränen flossen unaufhörlich weiter, obwohl ich mich auf wundersame Weise glücklich und geborgen fühlte.

G egen drei Uhr nachmittags klingelte es. Ich glaubte, es sei mein Vater, und rannte zur Tür, um sie zu öffnen. Doch es waren zwei Männer vom Revolutionskomitee, die eine Kalaschnikow geschultert hatten. Sie schoben mich zur Seite und traten ein. Einer von ihnen packte die Stumme am Arm. Gib mir einen Tschador, rief er mir zu. Ich gehorchte. Meine Knie zitterten. Die Stumme sah mich entsetzt an. Sie streiften ihr den Tschador über den Kopf, zerrten sie aus dem Haus und steckten sie in einen Wagen. Ich kniff mir in den Arm und gab mir Ohrfeigen, um aufzuwachen, aber der Albtraum war kein Traum. Ihr Eindringen war so brutal und schnell über die Bühne gegangen, dass ich das alles erst realisierte, als der Wagen schon um die Ecke gebogen war. Ich rannte zu meinem Onkel, um ihn zu warnen, klingelte, klopfte an die Tür. Eine Nachbarin sagte mir: Sie waren da und haben ihn zum Revolutionskomitee mitgenommen.
    Ich hatte nicht die Kraft, die fünfzig

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