Die stummen Götter
auf, von denen eine jeden einzelnen von uns individuell mit der Überwachungs- zentrale an Bord der ALGOL, verband und eine weitere zur allgemeinen Gruppenfrequenz erklärt worden war, die jeden von uns hier unten auf dem Planeten mit allen anderen in Kontakt setzte. Die restlichen beiden waren frei geblieben. Nun wollte Kraneis also mit mir eine dritte aushandeln, die einzig und allein uns beide verbinden sollte. Ich schaute mir prüfend das kleine, mit winzigem Lautsprecher, Mikrofon, Kontroll- lämpchen und Drucktasten ausgerüstete Gerät an. Es hatte bequem Platz auf der Fläche einer Hand.
„Nur, wenn wirklich der Teufel losgeht!“ sagte Kraneis be drängt. „Sie brauchen auch kein Wort zu sagen. Drücken Sie nur die Bereitschaftstaste, dann leuchtet bei mir das rote Licht auf, und ich weiß Bescheid. Nur Bescheid wissen!“ Fast be schwörend hob er die Hand.
Da hatte ich mich also doch getäuscht in diesem Mann. Er wollte keineswegs mutwillig rumzundeln hier auf Tantalus, er wollte auch nichts anzetteln mit mir, aber er hatte irgendwie Angst. Vielleicht kam das, was die Leute so gemeinhin einen Helden nannten, überhaupt nur auf solche Weise zustande: aus der Angst nämlich, daß für einen selbst alles, was man nicht selber tat, zu spät kommen könnte. Vielleicht war Kraneis wirk lich ein Draufgänger, vielleicht aber auch war er bloß kein guter Soldat. Ich muß gestehen, daß gerade diese letzte Mög lichkeit ihn mir um vieles sympathischer machte, wenngleich ich auch einsichtig genug war, mir zu sagen, daß gute Soldaten dennoch gebraucht wurden und daß gerade wir in unserer gegen wärtigen Lage möglicherweise besser dran gewesen wären mit einem anderen Leutnant, einem, der vielleicht kein „Held“ war, dafür aber mehr Vertrauen besaß zu den Befehlen, die er be kam. Ein gehorsamer Mann einfach, vielleicht sogar ein sturer, und unter Umständen konnte dann überhaupt nur ein solcher der wirklich „gute Soldat“ sein.
Ich schaute Kraneis an und nickte. Der Leutnant schien un endlich erleichtert. „Wußte doch, daß Sie ein prima Kerl sind!“ sagte er und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Dann regelten wir, was zu regeln war. Er und ich drehten am Abstimmknopf, bis das leise, kaum hörbare Fiepen der Geräte in eines zusammenfiel, die Frequenz wurde arretiert, und alles war erledigt.
Merkwürdig, dachte ich noch, wie sich dieser Jargon über die Zeitläufe hinweg erhalten hat. Prima Kerl! Muß man so reden, wenn man in der Gefahr steht, jemanden töten zu müs sen oder selbst getötet zu werden? Warum überhaupt braucht es immer noch Soldaten und Waffen und solcher Titel wie Commodore und alles dies? Was wollen wir überhaupt mit einem Titan, einem Kampfmittel von nahezu unvorstellbarer Vernichtungskraft, hier auf diesem so stillen und fremden und scheinbar für die ewige Ruhe bestimmten Planeten?
Doch das ging vorüber. Vier Kameraden waren uns fortge holt worden, und wir wollten sie wiederhaben. Wir hatten auch niemandem etwas getan, das es rechtfertigen konnte, sie uns wegzuholen. Und wenn ich auch anders über die Ursachen und die Motive ihres Verschwindens dachte als alle anderen, die mit mir zusammen von der Erde aufgebrochen waren, so än derte das nichts an den Tatsachen, am wirklichen Geschehen. Auf den Gedanken, daß wir ja auch zu Hause hätten bleiben können und daß dann niemand verschwunden wäre, darauf kam ich nicht. Unsere Expedition war schließlich auch nicht auf solche Gedanken hin angelegt. Es war ja überhaupt auch immer noch eine der Grundlagen der menschlichen Zivilisationsge schichte, bereit zu sein, um neuer Erkenntnisse willen Opfer zu bringen. Ich war so erzogen worden – wir alle. Wer anderer Auffassung war – ja, der mußte vielleicht ein Denker vom Typ Nordins sein. Doch den kannte ich zu dieser Zeit noch nicht gut genug, streng genommen kannte ich ihn gar nicht. Und wenn ich späterhin überhaupt etwas bedauerte, dann wohl dies, ihn auch in den wenigen, uns allen noch vergönnten Stunden und Tagen nicht wesentlich genauer kennengelernt zu haben.
Eine halbe Stunde später fuhren wir wirklich. Ein stattlicher Konvoi kam zusammen, wohl an die fünfundzwanzig Fahr zeuge. Neben den Astrachans, in denen die wissenschaftlichen Mitglieder der Landungsgruppe und ein Teil der Kampftruppe untergebracht waren, fuhren etwa zehn Transporter im Geleit, die Nahrungsmittel geladen hatten, Wasser, Medikamente, wis senschaftliches Gerät, Ersatzteile und
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