Die Stunde der Gladiatoren
Thema. »Wie geht es eigentlich mit deinen Studien voran?«
»Mit meinen Studien?« Kalt erwischt, lief Publius rot an und zupfte an seiner Tunika herum. »Bestens! Antigonos sagt, ich werde es weit bringen.«
Varro, der den Hang seines Sekretärs zu doppelbödigen Bemerkungen kannte, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »So, sagt er das!«, antwortete er und erlag prompt der Versuchung, seinen Neffen auf die Probe zu stellen: »Dann wird es dir ein Leichtes sein, Cäsar zu rezitieren.«
»Aus dem Stegreif?«, ächzte der Knabe, dem die Farbe aus dem pausbäckigen Antlitz wich. »Cäsar?«
»Oder Cicero â ⺠In Verremâ¹ . Für den Fall, dass dir der Sinn nach Höherem steht.« Varro setzte seinen Unschuldsblick auf. »Also â ich höre?«
Publius blinzelte nervös. »Nun, wie war das doch gleich ⦠genau â jetzt hab ichâs! Gallia est omnis divisa in partes ⦠Fortuna, hilf! Wie viele Teile waren es doch gleich?«
»Drei, Publius. Zu Lebzeiten des göttlichen Cäsar waren es drei. Heute, unter der Herrschaft des nicht minder göttlichen Konstantin, sind es wesentlich mehr. WeiÃt du, wie sie heiÃen?«
»Gallia prima, Gallia secunda, Germania inf â¦Â«
»Belgica, Publius. Die Provinz, in der wir leben, heiÃt Belgica. Genau wie unsere Nachbarprovinz. Damit man sie nicht verwechselt, kam ein genialer Kopf auf die Idee, sie zu nummerieren.«
»Belgica eins und zwei â wie konnte ich das nur vergessen!«
»Genau, wie konntest du.« Varro verzog keine Miene. »Und wie, oh würdiger Nachfolger von Strabon, heiÃt die Hauptstadt von Belgica eins?«
»Treveris!«
»Na, wenigstens das.«
»Was hast du gesagt, Onkel?«
»Nichts, Publius, nichts. Und falls dich je jemand fragt: Gallien, wie Cäsar es antraf, darf man mit der Diözese, die von Diokletian geschaffen wurde, nicht verwechseln. Vor allem, was seine Aufteilung und die daraus resultierende Grenzziehung betrifft.« Varro war jetzt ganz in seinem Element, was seinen Neffen, der mächtig ins Schwitzen geriet, spürbar aufatmen lieÃ. »Hörst du mir überhaupt zu, Publius?«
»Selbstverständlich, Onkel.«
»Dann präge dir das Folgende gut ein: Die Dioecesis Galliarum, von der die Provinz Belgica eins nur ein kleiner Teil ist, besteht nämlich aus insgesamt sieben Teilen â sieben , kannst du dir das merken, Publius?«
»Natürlich, Onkel.« Publius strahlte über das ganze Gesicht. »Sieben â erinnert mich an Rom, welches sich über sieben Hügel erstreckt.«
»Alle Achtung, mein Sohn! Es überrascht mich, wie weit du für dein Alter bist. Ein kluges Kind â findest du nicht auch, Gaius?«
»Ein �«, begann Varro, besann sich beim Anblick seiner Schwester jedoch eines Besseren. Aurelia, seit knapp drei Jahren geschieden, meinte wirklich, was sie sagte, und er wollte sie auf keinen Fall kränken. »Jjjaja!«, beteuerte er und steuerte der Sicherheit halber ein Kopfnicken bei. »Ein aufgeweckter Junge.«
» Aufgeweckt  â was soll denn das schon wieder heiÃen?«
An dieser Stelle, wo es schon mehrfach Ãrger gegeben hatte, musste Varro erst einmal Luft holen. Erst dann rang er sich zu einer Erwiderung durch. »Das soll heiÃen, er muss sich mehr Mühe geben. Ein wacher Verstand, über den er zweifellos verfügt, reicht nämlich bei Weitem nicht aus. Per aspera ad astra, oder liege ich da falsch?« Unter normalen Umständen wäre ihm die scharfe Replik nie über die Lippen gekommen. Pech für Aurelia, dass er momentan mehr mit sich selbst beschäftigt und zu Diskussionen, die er schon Dutzende Male geführt hatte, nicht aufgelegt war. »Oder meinst du, im Leben fällt einem alles in den SchoÃ?«
»Immer musst du an ihm herumkritisieren. Ist eben nicht jeder so klug wie du!«
»So war das nicht gemeint, Aurelia â und das weiÃt du auch.« Wie immer, wenn er sich im Ton vergriff, tat ihm Aurelia auch jetzt leid. Seine Schwester hatte viel durchmachen müssen, so viel, dass man ihr den Altersunterschied zu ihm nicht ansah. Varro machte ein betrübtes Gesicht. Von der zierlichen, flatterhaften und lebenslustigen jungen Frau, die mit 20 geheiratet hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Das
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