Die Stunde der Gladiatoren
Junge â und mäÃige deinen Ton.«
»Verzeiht, Oheim!«, entgegnete der Halbwüchsige, dessen Reibeisenstimme nicht dazu angetan war, sein Gegenüber zu besänftigen.
»Das sagst du bereits zum zweiten Mal.«
Der Knabe, ein Schlitzohr, das seinesgleichen suchte, trug die Miene eines geprügelten Hundes zur Schau. »Sie erlaubt nicht, dass ich zu den Spielen gehe.«
»Da tut sie auch gut daran!«, erwiderte der Advocatus ohne Umschweife, nicht willens, sich auf weitere Diskussionen einzulassen. »Für Knaben in deinem Alter ist das nichts.«
»Für Jungen.«
»Na schön, Publius, dann eben für Jungen!«, seufzte der Advocatus und erwiderte den MorgengruÃ, welchen ihm Livia, eine der drei Sklavinnen im Haus, soeben entbot. Die 20-Jährige, seit drei Jahren in seinen Diensten, war Fortunatas Gehilfin, eine Aufgabe, um die sie niemand beneidete. »Tust du mir einen Gefallen, Publius?«
»Gewiss, Oheim.«
»Vergiss nicht, wen du vor dir hast. Dir steht es nicht zu, mich zu belehren, verstanden?«
»Verzeiht, Onkel, ich â¦Â«
»Und noch eins: Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, das Amphitheater ist tatsächlich nichts für dich.«
»Aber â¦Â«
»Ich weiÃ, was du jetzt sagen willst, mein Junge. Lucius von nebenan darf auch schon hin. Und du nicht. Nun ist Lucius aber jemand, an dem man sich kein Beispiel nehmen sollte. AuÃerdem ist er älter, vergiss das nicht.«
So leicht, wie von Varro erhofft, gab sich sein Neffe jedoch nicht geschlagen. »Zwei Jahre«, rief Publius trotzig aus. »Was ist das schon!«
»In deinem Alter eine ganze Menge.«
Der Junge schien es nicht zu hören. »âºDu hättest sehen müssen, wie der Retiarius auf ihn losgegangen ist!â¹, hat Lucius gesagt. Pugnax hatte keine Chance.«
»In der Arena sterben Menschen, mein Junge. Das ist kein SpaÃ, Publius, sondern bitterer Ernst.«
»Menschen?«, stutzte Varros Neffe und sah den Advocatus verständnislos an. »Aber das sind doch nur Gladiatoren.«
»Nein, mein Junge«, entgegnete Varro ruhig, betroffen über die Art, wie Publius sich ausgedrückt hatte. »Menschen wie du und ich. Männer, die das Pech hatten, auf der Seite der Verlierer zu stehen.«
»Darf ich dich etwas fragen, Oheim?«
»Gewiss doch, Publius, nur zu.«
»Du warst doch selbst einmal Soldat. In Britannien.«
»In Britannien, an der Donau, an der Grenze zu Persien â und anderswo. Mehr als acht Jahre lang.«
Nicht sicher, ob er das Thema weiterverfolgen sollte, kratzte sich Publius hinterm Ohr. »Aber ⦠aber warum interessierst du dich dann nicht für die Spiele?«
Varro blieb die Antwort nicht schuldig. »Setz dich, mein Junge«, forderte er seinen Neffen auf, ohne ihn dabei anzuschauen. Dann erwiderte er mit ruhiger Stimme: »Du fragst dich, warum ich nie ins Amphitheater gehe?«
Publius nickte.
»Ich will es dir sagen.«
Kaum hatte er geantwortet, schob Varro seine Tunika in die Höhe und deutete auf die Narbe, welche sich an seinem rechten Oberschenkel befand. »Sieh genau hin, mein Junge«, forderte er den sichtlich konsternierten Halbwüchsigen auf, der auf den Anblick, welcher sich ihm bot, nicht gefasst gewesen war. Die Narbe war deutlich zu sehen, trotz der Jahre, die mittlerweile ins Land gegangen waren, und sooft Varro sie betrachtete, wurde auch er von einem Schauder gepackt. »WeiÃt du jetzt, warum mich die Spiele nicht interessieren?«
Seinem Neffen, dem der Schreck ins Gesicht geschrieben stand, fehlten zunächst die Worte. »Ja, Oheim«, beeilte er sich schlieÃlich zu antworten. »Jetzt weià ich es.«
»Krieg ist kein Spiel, Publius, kein Abenteuer, kein Erlebnis â und alles andere als ein Vergnügen.«
»Das weià ich, Oheim.«
»Nach allem, was du von dir gegeben hast, bin ich mir da nicht so sicher.« Varro pausierte, beäugte Publius von der Seite und zog den Saum der Tunika übers Knie. »Glaub mir, mein Junge: Es gibt nichts Schlimmeres. Natürlich bedeutet Krieg führen auch kämpfen. Und natürlich gereicht es einem zur Ehre, wenn man Leib und Leben für sein Vaterland riskiert. Das, Publius, ist allerdings nur die Vorderseite der Münze. Mit der Rückseite verhält es sich anders.«
»Du hast viel mitgemacht, nicht
Weitere Kostenlose Bücher