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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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wahr?«
    Â»Nicht nur ich, mein Junge, mit Sicherheit nicht nur ich. Ich wurde Zeuge, wie Dörfer geplündert, Städte dem Erdboden gleichgemacht und ganze Landstriche verheert worden sind. Ich musste mitansehen, wie Männer und Frauen, die nichts mit dem Krieg zu tun hatten, entweder abgeschlachtet oder auf Geheiß des Oberkommandierenden an Sklavenhändler verkauft worden sind. Kein Feldzug, während dem sie sich nicht an die Fährte unserer Legionen geheftet und versucht haben, aus dem Schicksal der Besiegten Kapital zu schlagen. Kein Schlachtfeld, über das diese Parasiten nicht hergefallen sind.«
    Â»Um diejenigen, derer sie habhaft wurden, auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen.« Nachdenklich geworden, atmete der Junge tief durch. »Oder, noch besser, um Gladiatoren aus ihnen zu machen.«
    Â»Ich sehe, du bist ein kluger Junge, Publius.«
    Â»Darf ich dich etwas fragen, Oheim?«
    Varro lächelte. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, junger Herr: Das tust du unentwegt.«
    Â»Tut mir leid, Oheim, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
    Â»Schon gut, Publius. Was wolltest du sagen?«
    Sichtlich geknickt, senkte Varros Neffe den Blick. »Wenn es so furchtbar war, wie du sagst, warum hast du dann nicht einfach deinen Abschied genommen?«
    Â»Das ist nicht so leicht, wie du denkst, junger Mann.«
    Â»Aber … aber es muss doch etwas gegeben haben, was dich bewog, zu bleiben. Irgendeinen … irgendwelche Gründe, meine ich.«
    Â»Die gab es, mein Junge, dessen sei gewiss.«
    Publius nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Und welche?«, fragte er im Wissen um den Tadel, der nun unweigerlich folgen würde.
    Varro seufzte, und während er so dasaß und sich eine Antwort zurechtlegte, drehte er den Ring, welchen er an der rechten Hand trug, hin und her. Genau das hatte er befürchtet, genau das hatte er vermeiden wollen. Es war nicht das erste Mal, dass man ihm diese Frage stellte, und obwohl er die Antwort kannte, zog er es vor, sie für sich zu behalten. Zugegeben, es hatte Dinge gegeben, an die er lieber nicht zurückdenken wollte, Dinge, für die er sich jetzt, knapp 20 Jahre nach seiner Militärzeit, zutiefst schämte. Im Krieg gegen Allectus, vor allem aber bei der Rückeroberung von Londinium, war von Gnade gegenüber den Unterlegenen nicht viel zu spüren gewesen. Beide, sowohl der Gegenkaiser als auch der Vater des jetzigen Imperators, hatten sich überdies nicht gerade als Meister der Kriegskunst erwiesen. Constantius Chlorus, weil sein Geschwader durch einen Sturm zur Kursänderung gezwungen wurde, Allectus, weil er nichts unternahm, um die Flotille, zu der auch Varros Galeere gehörte, an der Landung in Cantium zu hindern. Erst als der Abtrünnige in der Schlacht fiel, war der Bruderkrieg beendet – und Gaius Aurelius Varro zum Invaliden geworden.
    Â»Was ist mit dir, Onkel, habe ich dich erzürnt?«
    Jäh aus den Gedanken gerissen, fuhr Varro in die Höhe. »Welche Gründe ich dafür hatte?«, fragte er rasch, bemüht, einen aufgeräumten Eindruck zu machen. »Nun, ich denke, mir lag daran, meine Pflicht zu erfüllen.« Das war nicht nur die halbe Wahrheit, das grenzte, wie Varro sehr wohl wusste, an Heuchelei. Die Wahrheit war, dass er es zu Hause nicht mehr ausgehalten hatte. Daran gab es nichts zu beschönigen. Nach dem Tod seiner Mutter, welche die Geburt seiner Schwester nicht überlebt hatte, war das Verhältnis zu seinem Vater immer schlechter geworden. Varro hatte die Konsequenzen daraus gezogen und war Soldat geworden, ausgerechnet er, dessen Liebe in erster Linie Büchern galt.
    Â»Und daran, etwas aus mir zu machen.« Schon wieder eine Lüge, beileibe nicht die einzige in seinem Leben. Varro stöhnte gequält auf. Es war einfach so, dass die Legion seine Ersatzfamilie geworden war, der Ort, an dem er fand, wonach er zu Hause vergeblich suchte. Hinzu kam, dass sich Vater immer eine Tochter gewünscht und Aurelia zu seinem Augapfel erkoren hatte. Varro hatte sehr darunter gelitten, das Verhältnis zu seiner Schwester noch mehr. Aber das, wie manch anderes, brauchte sein Neffe natürlich nicht zu wissen. »Ich wollte etwas erreichen, falls du verstehst, was ich meine.«
    Publius gab ein andächtiges Nicken von sich.
    Â»Wenn wir gerade bei Leistungen sind«, wechselte Varro, der sich mit Vertraulichkeiten schwertat, abrupt das

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