Die Stunde der Gladiatoren
Celsus, vor Jahresfrist einem Fieber erlegen war. Um die Pacht, welche sie für ihre Taverne bezahlen musste, aufzubringen, musste sie von frühmorgens an hinter dem Tresen stehen, mit dem Ergebnis, dass ihre Tochter weitgehend sich selbst überlassen blieb. Penelope, eine frühreife 11-Jährige, fand zwar nichts dabei, aber da ihr Umgang nicht der beste war, riss der Kummer, den sie ihr bereitete, nicht ab.
Seit gestern, dem Beginn der Spiele, hatten sich ihre Sorgen jedoch um ein Vielfaches vermehrt. Denn plötzlich war da nicht nur Penelope, sondern auch der Mann, der, so seine Worte, nicht zögern würde, sie bei nächstbester Gelegenheit umzubringen.
Ein Mann, mit dem nicht zu spaÃen war.
Für sie, die sich nicht unterkriegen lieÃ, jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Frauen, so ihr Credo, mussten etwas aushalten, und das fing beim Umgang mit den Männern an. Letztere, vor allem die Heiratswilligen, sahen ihren Geschäftssinn mit Argwohn, doch wenn der Wein floss, war nichts mehr davon zu spüren. Dann konnte sie sich vor Anträgen kaum retten, musste sie ihre ganze Energie aufbieten, um ihre Freier auf Distanz zu halten. Wann indes ein Odysseus auftauchen würde, der dem Treiben ein Ende machte, stand in den Sternen, und wenn sie ehrlich war, hatte sie die Hoffnung längst aufgegeben.
Obwohl ihr nicht danach war, musste Aspasia schmunzeln. Nicht wenige behaupteten, sie sei die schönste Frau von Treveris, was ihrer Schenke, dem âºKantharosâ¹, enormen Zulauf bescherte. Sie selbst sah das gänzlich anders, stand mit ihrer Meinung jedoch ziemlich allein. Die 30-Jährige brauchte nur aus dem Haus zu gehen, und schon richteten sich sämtliche Blicke auf sie. Am Chiton, den sie trug, konnte es nicht liegen, war er doch dunkel, weit und so abgetragen, dass ein Blick kaum lohnenswert erschien. Ein Blick auf seine Besitzerin, das stand fest, lohnte dagegen allemal. Aspasia war schlank, hochgewachsen und so anziehend, dass das Wort âºhübschâ¹ im Zusammenhang mit ihr wie eine Beleidigung wirkte. Vor allem aber hatte sie langes, in den Rücken hinabreichendes Haar, weich wie Seide und schwarz wie Ebenholz aus Afrika. Schwarz waren auch ihre Augen, und wer ihren Blick auffing, geriet sofort in ihren Bann.
Der heutige Tag, dem Andenken des Saturn gewidmet, bildete da keine Ausnahme. »Warum so eilig, Aspasia?«, rief ihr einer ihrer Kunden hinterher, nachdem sie ihn geflissentlich übersehen und vom Decumanus nach links in den Cardo abgebogen war. »Quo vadis, pulchra?«
»Tut mir leid, ich habe zu tun!«, lautete die Antwort, wobei Aspasia es vermied, sich umzudrehen oder gar stehen zu bleiben. Je früher sie ihr Ziel erreichte, desto besser â und desto schneller konnte sie wieder an die Arbeit gehen.
Die Insulae, welche ihren Weg säumten, erwachten gerade erst zum Leben, und so blieb sie von weiteren Annäherungsversuchen verschont. Die Stirn in Falten, zog Aspasia ihres Weges. Die Laubengänge, die sie entlanghastete, waren nahezu menschenleer, und das galt auch für den Cardo, der in schnurgerader Richtung zum Nordtor führte. In ein bis zwei Stunden, nach Ãffnung der Läden, Werkstätten und Garküchen, würde sich dies jedoch ändern. Heute war ein besonderer Tag, und wie um dies zu bestätigen, strahlte die Sonne auf die weià verputzten Fassaden und im Frühlicht glänzenden Dachziegel herab. Der Tag, an dem der Kaiser sein Jubiläum feierte, würde zahlreiche Besucher anlocken, unter anderem wegen der Spiele, welche derzeit in der Arena stattfanden. Aspasia konnte ihnen zwar nichts abgewinnen, wusste jedoch nur zu gut, dass sie ihr reichlich Kunden bescheren würden. Wenn es etwas gab, das sie benötigte, dann war es Geld, und sei es nur, um ihre Pacht zu begleichen.
Die Zeiten, in denen sie lebte, waren nämlich alles andere als leicht. Das Volk, allen voran Leute wie sie, ächzte unter der Last der Steuern, und sie fragte sich, wie lang das noch gut gehen würde. Kaum eine Quelle, welche die Obrigkeit nicht anzapfte, mochte es nun Bauern, Stadtbürger oder gar Senatoren treffen. Sogar Prostituierte blieben vom Zugriff des Fiskus nicht verschont, von Kaufleuten, Handwerkern und Händlern, der Mehrheit in der Stadt, gar nicht zu reden.
Aspasia seufzte aus tiefster Seele. Treveris, Zierde des Imperiums, war ein Ort, an dem es sich gut leben lieÃ. Das
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