Die Stunde der Gladiatoren
und seinen Brummschädel, dem ein Gewirr feuerroter Locken entspross, ignoriert. Damit war es jetzt, im Angesicht herannahenden Unheils, jedoch vorbei. »Ist ja gut, reg dich â¦Â«, hörte sich der Maurer noch japsen. Dann war es mit seiner Beherrschung vorbei.
Und er, Quintus, auf und davon.
Glück im Unglück, dass bis zur Abfallgrube, wo die Arbeiter ihre Notdurft verrichteten, nur wenige Schritte zu gehen waren. Schritte indes, die Quintus, dem die Hitze den Rest gab, so weit wie der Weg nach Colonia vorkamen.
Die Hand vor dem Mund, torkelte der Maurer voran, vorbei an zwei Zimmerleuten, die sich vor Lachen die Bäuche hielten. Dann verschwand er unter den Kolonnaden, welche den weiträumigen Innenhof säumten, suchte nach einem Durchgang, fand ihn, bog nach links und rannte, als seien die Furien hinter ihm her.
Doch dann, Bacchus sei Dank, war er am Ziel. Quintus hatte die Sickergrube erreicht, lieà sich auf die Knie fallen, dankte den Göttern, dass er es bis hierher geschafft hatte, beugte sich über den Rand der Grube, aus der ein Brodem aufstieg, welcher dem Orkus zur Ehre gereicht hätte, öffnete den Mund â und prallte entsetzt zurück.
Wie lang er dort gekauert hatte, unfähig, den Blick von dem Fuà abzuwenden, um den sich eine aus Tierzähnen gefertigte Kette schlang, wusste Quintus nicht mehr. Was er dagegen wusste, war, wem diese Kette gehörte. Jeder, der auch nur einen Funken Ahnung hatte, kannte sie. Vor allem er, der jeden freien Moment im Amphitheater verbrachte. Der jeden Gladiator, den es in Treveris zu bestaunen gab, kannte.
Fast schien es, als habe der Maurer den Würgereiz, welcher ihn peinigte, vergessen. Doch dann, das Gelächter seines Vorarbeiters im Ohr, der sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollte, riss er den Kopf herum und lieà dem Schwall, welcher aus seiner Kehle emporschoss, freien Lauf.
So lang, dass Quintus glaubte, er müsse sterben.
VI
Villa Aurelia, Mitte der fünften Stunde
[10:00 h]
»Ich brauche keinen Stock â wie oft soll ich das denn noch sagen!«, fuhr Varro, bekleidet mit einer weiÃen Toga, welche nur Ratsherren tragen durften, seine Haushälterin an. Das allein war schon schlimm genug, wäre da nicht Fortunata gewesen, die ihm eine Predigt in Sachen Anstand hielt. Ein Anwalt, und sei er auch noch so bescheiden, müsse gut gekleidet sein, auch und vor allem an Feiertagen.
Varro lieà es geschehen, genau wie das Anlegen des Gewandes, unter dem man schwitzte, als ob man SchwerstÂarbeit verrichtete. Obgleich es sich bei Syphax, seinem Leibsklaven, um einen wahren Könner handelte, war Varros Geduld einmal mehr auf eine harte Probe gestellt worden. Erst die Schultern, aber so, dass ein möglichst langes Stück übrig bleibt, dann die Achseln und danach, weil es so schön war, von vorn über den Oberkörper bis zum Hals: soweit also die Prozedur, in deren Verlauf sein Körper in feinstes ägyptisches Leinen gehüllt wurde. Und damit auch alles seine Richtigkeit hatte, wurde der Stoff wie ein Schal um den Hals gewickelt und in Höhe des Schlüsselbeins mit einer Nadel befestigt. Ein vornehmer Herr, so Fortunata, müsse eben nach etwas aussehen, selbst dann, wenn er Gefahr lief, zu ersticken. »Der Fetzen hier ist schon schlimm genug.«
Die Reaktion der Haushälterin lieà nicht auf sich warten. »Sag mal, schämst du dich eigentlich nicht?«, schimpfte seine Amme, wobei Varro von Glück sagen konnte, dass Aulus, Türhüter und Faktotum, wie aus heiterem Himmel ins Gespräch platzte und Fortunata den Wind aus den Segeln nahm. »Der Herr Senator würde sich im Grab umdrehen, wenn er das gehört ⦠äh ⦠Er sieht gut aus, findest du nicht auch, Aulus?«
Der Türhüter, Kriegsveteran und so alt, dass er Varros Vater hätte sein können, grinste von einem Ohr bis zum anderen. »Das ist ja wohl nichts Neues!«, flachste er und fand offenbar nichts dabei, seinem Herrn zuzuzwinkern. »Ich denke, wir sind da einer Meinung, oder?«
Kalt erwischt, zog die Haushälterin den Kopf ein, stampfte auf und stierte den Pförtner wie ein angriffbereites Nashorn an. Dieser wiederum, Komödiant vom Scheitel bis zur Sohle, tat so, als könne er kein Wässerlein trüben. »Wenn du denkst, ich lasse mich von dir an der Nase herumführen, kannst du was erleben!«
»Aber, aber,
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